Sonntag, 30. August 2020

Logik ist absolut.

                                                                zu Philosophierungen

Logik ist absolut in dem Sinn, dass sie all das beschreibt, was man ohne Bedingung tun kann.

Was immer in Raum und Zeit geschieht, ist bedingt.

Handlungen jenseits von Raum und Zeit sind logische Operationen.

Geltung ist die Maxime einer Handlung.

 


Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

Samstag, 29. August 2020

Die Spur des Orients in der mittelalterlichen Architektur Europas.


aus Tagesspiegel.de,  29. 8. 2020                                                                            zu Geschmackssachen

Alles nur geklaut? 
Wie Islamische Architektur Europas Kulturerbe formte 
Notre Dame, Big Ben, der Markusdom – viele europäische Großbauten haben einen Ursprung in der Architektur des Nahen Ostens. Wie weit geht der Einfluss?
 
Von Bernhard Schulz

Baudenkmale prägen die Identität von Gemeinschaften und Gesellschaften, regional oder national, politisch oder religiös. Vielfach in mehr als einer dieser Dimensionen. Schmerzlich bewusst wurde dies vor einem Jahr, als am 19. April 2019 die Pariser Kathedrale Notre-Dame in Brand geriet und ihr hoch ragender Dachreiter in den lodernden Flammen zusammenstürzte. 

Schmerzlich bewusst, wenn auch auf ganz andere Weise, wurde es vor wenigen Wochen, als der türkische Staatspräsident Erdogan die Hagia Sophia in Istanbul, dem einstigen Konstantinopel, kurzerhand zur Moschee erklärte und mit einem von ihm angeführten Freitagsgebet vor aller (Fernseh-)Augen in die Tat umsetzte.

Der türkische Präsident Erdogan, weitere hochrangige türkische Politiker und zahlreiche Gläubige versammeln sich in und um die Hagia Sophia zum Freitagsgebet.

Wem ein Bauwerk gehört, ist zumindest alltagspraktisch leicht zu beantworten – dem, der über es verfügt. Aber wem „gehört“ Architektur? Da beginnt der Streit.

Wer Istanbul besucht, wird unschwer erkennen, dass die Stadt mit überkuppelten Moscheen reich versehen ist. Eine der größten Kuppeln, von außen in ein dickes Geflecht von Stützmauern eingebunden, ist diejenige der Hagia Sophia.

Die Staatskirche des byzantinischen Reiches wurde unter Kaiser Justinian in der unglaublich kurzen Spanne zwischen 532 und Ende 537 errichtet. Sie war die Hauptkirche der orthodoxen Christenheit bis zur Eroberung von Konstantinopel durch die Osmanen am 29. Mai 1453 und der sofortigen Umwandlung in eine Moschee.

Hat Europa seine größten Bauwerke vom Nahen Osten gestohlen?

So weit, so bekannt; nun aber kommt Notre-Dame ins Spiel. Vor wenigen Tagen erschien ein Buch der Nahost-Expertin Diana Darke mit dem Titel (übersetzt) „Von den Sarazenern gestohlen. Wie Islamische Architektur Europa formte“, das in England schon vor dem ersten Verkaufstag Furore machte 

Diana Darke, Stealing from the Saracens. How Islamic Architecture Shaped Europe. Hurst & Company, London 2020. 474 S., 25 Pfund

Der Architekturkritiker des renommierten „Guardian“, Oliver Wainwright, schrieb einen enthusiastischen Artikel unter der Überschrift „Looted Landmarks“, „Gestohlene Denkmale“, worunter er Notre-Dame, Big Ben und den Markusdom als „dem Osten gestohlen“ zusammenfasste.

Im Internet wogt seither die Diskussion. Für die Hagia Sophia als Zentralkirche der Orthodoxie setzten sich protestierend die Griechen ein, als Erdogan den Museumsstatus aufhob, und Russlands Präsident Putin kündigte den Bau einer maßstäblich verkleinerten Version an – mit Standort in Syrien.

Die Hagia Sopia, aufgenommen kurz nach Sonnenaufgang
.

Notre-Dame aber, die Bischofskirche der französischen Hauptstadt und bis zum Brand alljährlich von mehreren Millionen Touristen besucht, als Abkömmling islamischer Baukunst zu bezeichnen, erregte zahllose Gemüter in Frankreich.

In ihrem Buch argumentiert Darke weniger zugespitzt, als es die Medien verbreiteten. Sie hat in Oxford Arabisch studiert (und übrigens auch Deutsch), jedoch keine akademische Laufbahn verfolgt, sondern war viele Jahre von ihrem Wohnsitz in Damaskus aus publizistisch tätig, ehe sie Syrien wegen des Bürgerkriegs verlassen musste.

Der Brand der Kathedrale war Anlass, ihr Buch zu schreiben, und so zählt sie die charakteristischen Elemente des Bauwerks und damit der meisten gotischen Kirchen in Frankreich auf: die Doppelturmfassade mit dem reich geschmückten Eingang, die Fensterrose(n), das Rippengewölbe und schließlich den spitzen Vierungsturm, die alle „ihren Ursprung Vorgängern im Mittleren Osten verdanken“.

Vor dem Brand. Die Kathedrale in Notre-Dame Paris, 2018.

Damit lenkt sie den Blick auf eine in der Tat vergessene kunsthistorische Landschaft: den heute mit dem Namen „Tote Städte“ belegten Landstrich im Nordwesten Syriens zwischen Aleppo und der türkischen Grenze.

Dort haben sich die baulichen Zeugnisse von über 700 Siedlungen, Ortschaften und ganzen Städten erhalten, die ihre Blütezeit in zwischen dem 4. und 7. Jahrhundert erlebten, bis die Eroberung durch die gerade erst islamisierten Araber die allmähliche Auswanderung der christlichen Bevölkerung zur Folge hatte und die Gegend weitgehend unbewohnt blieb.

In dieser kargen Landschaft sind diejenigen „Vorgänger“ zu finden, die Darke meint. Erstaunliche Natursteinbauten, Kirchen in basilikaler Bauform – Hauptschiff und zwei Seitenschiffe -, darunter eine, Qalb Lozeh, mit den Resten einer Doppelturmfassade, wie sie der römischen Antike unbekannt war.

Hier wurde die schlichte Schönheit der Romanik geboren. Qualb Loze, Basilika im Gebiet der „Toten Städte“, seit 2011 Weltkulturerbe.

Als diese entvölkerte Gegend zu Beginn des 20. Jahrhunderts erstmals von Europäern bereist wurde, trat die Verbindung zum Abendland vor Augen: „Die schlichte Schönheit der Romanik wurde im Norden Syriens geboren“, zitiert Darke einen Reisebericht aus dem Jahr 1905.

Dass es Verbindungen dieser Art zwischen Orient und Okzident gab, ist unstrittig. Man denkt zuallererst an die abenteuernden Ritter, die in mehreren Kreuzzügen gen Jerusalem zogen, die die Kenntnis solcher, wohlgemerkt christlichen Bauten mit zurück in ihre Heimat brachten – vor allem aber aus Konstantinopel, das sie 1204 plünderten, wovon sich das Byzantinische Reich nicht mehr erholte.

Jerusalem erwies sich als Quelle neuartiger Baugedanken

Kaum bekannt ist die Rolle der friedlichen Pilger, die sich im frühen Mittelalter der „dunklen Jahrhunderte“ nach Syrien aufmachten, wie auch die Rolle dortiger Handwerker, die im Gefolge von Pilgergruppen nach Westeuropa gekommen sein mögen und dort ihre handwerklichen Fähigkeiten ausübten.

Später erwies sich insbesondere Jerusalem als Quelle neuartiger Baugedanken. So bot der islamische Felsendom als Zentralbau mit seiner goldglänzenden Kuppel vielfache Anregung, worauf Darke hinweist.

Dabei mitgedacht werden muss allerdings die Vorbildfunktion der Hagia Sophia, die als der prächtigste Kuppelbau der nachantiken Zeit seinerseits auf die sich bildende islamische Architektur ausstrahlte.

Noch ein wichtiges, ja unabdingbares Element der westeuropäischen Architektur verdanke sich, so Darke, der Baukunst des Islam: der gotische Spitzbogen.

Der Spitzbogen wanderte über das süditalienische Amalfi nach Frankreich

Damit kommt Notre-Dame ins Spiel, nicht die erste, aber eine der vollkommensten gotischen Kathedralen. Ihre Vorgängerin steht nur wenige Kilometer entfernt, es ist die Kathedrale von Saint-Denis, heute ein Vorort von Paris, deren Chorumgang aus dem Jahr 1140 erstmals Spitzbögen und ein Kreuzrippengewölbe zeigt.

Beides, so Darke, sei aus dem Orient importiert worden, über die Seefahrer des süditalienischen Amalfi, von wo aus diese neue Bauform nach Norden „wanderte“ und über die – in der Französischen Revolution zerstörte – gewaltige Klosterkirche im burgundischen Cluny zum Maß für alle neuen Kirchenbauten wurde.


Die Klosterkirche von Cluny im burgundischen Abbey.

Gegenüber dem aus römischer Zeit in ganz Europa und dem Mittelmeerraum verbreiteten Rundbogen zeigte sich der Spitzbogen technisch überlegen, was Lastaufnahme und erreichbare Höhe anbelangt, und nur so konnten die im Wortsinne himmelstrebenden Gewölbe wie in Notre-Dame errichtet werden.

Allerdings auch erst vermittels einer zweiten, der islamischen Baukunst unbekannten Erfindung: dem Strebebogen, der die Last des Gewölbes aus den durchfensterten Wänden hinaus nach außen abträgt.

Syrien war einst eine Kernregion des Christentums

Die politischen Konflikte, die den Nahen Osten bestimmen, haben Syrien von der Liste touristischer Ziele gestrichen. Die einstige, im Römischen Imperium so bezeichnete Provinz, die im Süden Palästina einschloss, war die Kernregion des Christentums.

Bis auf Jerusalem und wenige Stätten im heutigen Israel ist die christliche Kultur daraus verschwunden. Als die Kreuzfahrer 1099 Jerusalem eroberten und sich dort auf anderthalb Jahrhundert festsetzten, hielten sie den bereits 400 Jahre alten Felsendom für den alttestamentarischen Tempel Salomo.

Der Felsendom in Jerusalem.

Den gotischen Spitzbogen wie Darke in persisch-sassanidischen Palästen der vorislamischen Zeit zu verorten, mag die nationale Ehre Frankreichs kränken. Andererseits, selbst wenn diese Genealogie zutrifft: Architektonisch zur Fülle ihrer Möglichkeiten geführt wurden Spitzbögen und Kreuzrippengewölbe in der gotischen Architektur des Nordens.

Umgekehrt hat die Kuppel der Hagia Sophia die osmanische Baukunst inspiriert. Ihr bedeutendster Vertreter, Sinan, entstammte einer griechisch-orthodoxen Familie Kleinasiens und war als junger Mann in die osmanische Armee gezwungen worden.

Erst nach Jahrzehnten auf Feldzügen begann er mit dem Moscheenbau und schuf etwa mit der Süleyman-Moschee in Istanbul Bauwerke, von denen er am Ende seines langen Lebens mit Recht sagen konnte, er habe „Justinian übertroffen“.

Istanbul ist bis heute von Sinan geprägt, und stets war er bestrebt, Zentralkuppeln unter Vermeidung der statischen Probleme der Hagia Sofia zu schaffen und diese zugleich in einen neuartigen Baukomplex mit Schulen, Armenküchen und Krankenhäusern einzubinden.

Die Thesen von Darkes Buch werden im Internet stark verkürzt

Die Aufregung über Diana Darkes Buch, die im Internet Wellen schlägt, beruht auf der schlagwortartigen Verkürzung ihrer Thesen. Von „looted landmarks“, wie sie der „Guardian“ verkündet, kann bei ihr nicht die Rede sein.

Darke schreibt in ihrem Nachwort, sie habe sich „nach dem Brand von Notre-Dame veranlasst gesehen, dieses Buch zu schreiben“. Ausdrücklich betont sie, es sei keinesfalls ihre Absicht, die „europäische Architektur und ihre vielen, herausragenden Errungenschaften zu verunglimpfen“.

Denn „alles ist erbaut auf dem, was vorher war“. Vieles kam aus dem Osten, weniges in Gegenrichtung, bemerkt Darke. Das stimmt – falsch ist nur die Gleichsetzung des „Ostens“ mit dem Islam. Der Kulturraum des östlichen Mittelmeeres reicht zeitlich viel weiter zurück. Wie im alten Syrien. Seit 2011 sind die „Toten Städte“ Unesco-Weltkulturerbe, das immerhin.


 

Nota. - Mal wieder viel Lärm um bloß ein kleines Bisschen. Was als Grundlage der gotischen Kathedralen aufgezählt wird, sind mindere architektonische Versatzstücke  dekorativer Art. Was die gotische Ästhetik ausmacht, ist weder der Spitzbogen noch das Kreuzrippengewölbe. Wird oben nicht gerade die Klosterkirche von Cluny genannt als Ausgangspunkt für deren Verbreitung in Europa? Aber die war ja nicht gerade gotisch. Es ist zwar nur einer der beiden Ecktürme erhalten. Doch schon der allein kann als Höhe-punkt... romanischer Ästhetik gelten. Für die Gotik charakteristisch wurden der Spitzbogen und seine dreidimensionale Erweiterung im Kreuzrippengewölbe erst, als sie in den Dienst des Blicks in den Himmel gestellt wurden. Und der war der originäre Beitrag der hochmittel-alterlichen Frömmigkeit und findet sich weder im Islam noch wohl bei den manichäischen Sassaniden. 

Übrigens auch nicht im übrigen Europa. Schon in Norddeutschland - wo man freilich nur Ziegelsteine zum Bauen hatte - erscheint der Drang nach oben stark gebremst; doch auch in England, wo es an Naturstein doch nicht mangelt. Völlig fehlt er aber im mediterranen Raum; in Spanien gibt es Gotik eigentlich nur als äußeren Schmuck - und die Mailänder Missgeburt wollte man am liebsten vergessen können.

Das Umkippen eines Epochengeschmacks geschieht nicht durch das allmähliche Anhäufen vom 'Elementen', sondern durch Verrückungen der Weltsicht. Es ändern sich die mentalen Grundverfassungen ('Bewusstseinsstellungen' bei Gf. Yorck)

Das führt mich zurück zu einem meiner Lieblingsthemen: Epochalstile gab es offenbar nur im Abendland. Und durch Importartikel entstanden sie nie.

PS. Sinan war übrigens ein Janitschar. Nicht als junger Mann kam er in die osmanische Armee, sondern als Kind im Zug des sog. Knabenzolls, den nichtislamisch Familien dem Sultan zu entrichten hatten. Sie wurden bei den Janitscharen zu besonders fanatischen Muslimen erzogen. Sinan diente in der Abteilung, die man in Europa Génie nannte.

JE

Hegel als Systematiker.

                                   zu Philosophierungen

Seinen größten Ruhm hat Hegel als Systembaumeister erworben. Doch auch darin war er nicht originell, auch darin folgte er Fichte. Die pedantischen Rationalisten vor Kant hatten wohl ebenfalls Gott und die Welt behandeln wollen, aber hatten die einzelnen Definitionen (aus viel mehr bestand ihre Philosophie nicht) wie Perlen nach- und nebeneinnder auf eine Schnur gezogen: jedes philosophische Fach sauber geordnet für sich. Kant hatte den Ver-nunftgebrauch kritisch seziert, doch empfand er bis ans Ende einen Mangel darin, dass er die ein-zelnen Stücke nicht wieder zusammengebracht hatte; sein voluminöses Opus postu-mum zeugt davon.

Das wollte nun Fichte unternehmen: nach der Analysis die Synthesis. Doch da er meinte, von den Dingen selber könnten wir nichts wissen, sondern lediglich von den Vorstellungen, die wir uns von ihnen machen, konnte nicht die Welt, sondern allein die uns in ihr umtrei-bende Vernunft Gegenstand der Philosophie sein. Als ihren Anfang hatte er einen einzigen Grund ausgemacht, und aus dem allein musste sie entwickelt werden; musste sie sich ent-wickelt haben. Das war es, was ihn befugte, sie als ein System darzustellen.

Während aber Fichte sein System der Vernunft vor den Augen seiner Leser (und Ohren seiner Hörer) Schritt für Schritt aus der analytisch aufgefundenen Voraussetzung entwickelt, setzt Hegel es seiner Darstellung stillschweigend voraus: Es ist die Plotin'sche Denkfigur vom reinen Sein, das sich im Werden von sich selbst entfremdet, um, erfahrungsgesättigt, zu sich zurückzufinden. Ein spekulatives Dogma, das von Plotin nicht entwickelt, sondern dichterisch erzählt wird. Eine Märchenerzählung, der man Glauben schenken mag oder auch nicht.

Was Plotin bei aller Erzählkunst nicht plausibel machen kann, ist: warum sich das reine Sein leer fühlt, beziehungsweise: was es daran stört. Was fehlt ihm denn? Die Fülle könnte ihm nur fehlen, wenn es sie schon kennte. Die Vereinigung des eleatischen Seins mit dem heraklitischen Werden war schon das Motiv des platonischen Mythos; bei Plotin wurde es durchgekaut und gargekocht.

Hegel interpoliert einen Topos aus der deutschen Mystik: die Einheit der Gegensätze. Am Anfang der Logik setzt er dem Sein ontologisch das Nichts entgegen. In dieser Einheit hal-ten sie's natürlich nicht lange aus, und die Erzählung bekommt ein Motiv: die "Selbstbewe-gung des Begriffs". Von Hause aus schlägt er in sein Gegenteil um und so weiter. Er nimmt Fahrt auf. Denken lässt sich dabei nichts, aber man kann sich davon hinreißen lassen. Wäh-rend Kants Schreibweise in seiner kritischen Zeit dunkel war, weil er eine völlig neue Denk weise in den überlieferten Ausdrücken formulieren musste, ist Hegel absichtlich unverständ-lich, weil er sattsam bekannte Topoi aus zwei Jahrtausenden aussehen lassen musste wie brandneue Einfälle aus eigner Produktion. Bei der Lektüre schwirrt einem daher der Kopf, als hätte man indischen Hanf zu sich genommen. Denn hätte er es anschaulich dargestellt, hätte die Trivialität nur Häme ausgelöst. Bei Kant war die dunkle Rede notgedrungen, bei Hegel war sie Absicht.

Gefällig gemacht wurde sie durch die klassisch-antike Vokabel Dialektik. Sie galt schon damals als die Kunst, ein X für ein U vorzumachen. Indem er sie sich trotzig an die Brust heftete, ging er aber in der Offensive, die Beweislast lag bei seinen eingeschüchterten Ge-genrednern. Es handelt sich dabei um den letzten, größten Ideenklau, dessen er sich schuldig gemacht hat. Hatte er sich von Plotin/Schelling den Stoff zu seinem System ge-nommen, so stahl er das Verfahren wieder von Fichte, nicht ohne es zu einem Taschen-spielertrick zu verballhornen

Tatsächlich stammt die neuzeitliche Dialektik aus Fichtes "analytisch-synthetischem Ver-fahren", freilich mechanisiert zu einem klingenden Glasperlenspiel. Fichtes Methode war, die vorgefunden Bestimmungen analytischzurückzuführen auf ihren 'Grund', nämlich hinter oder unter der 'allerersten' Bestimmung den Bestimmenden kenntlich zu machen und seine prädikative Qualität; doch was er auch immer bestimmen will - er kann es nur durch Ent-gegensetzen! So schreitet die synthetische Rekonstruktion der Vernunft zu einem System voran.  

Hegel kehrt das um. Alles Bestimmte - aller Begriff - besteht aus der Einheit von Gegensätzen. Und so kommen wir schließlich zur pp. Dialektik als heimliche Selbstbewegung des Begriffs, der 'sich setzt' und 'entgegensetzt', 'umschlägt' und sich eine Stufe höher "in dreifacher Bedeu-tung" aufhebt. Man kann sich dabei nichts denken. Aber man kann dazu auf den Fußspitzen wippen.

Was aber die Rückabwicklung der Kopernikanischen Wende zur Vollendung bringt, ist seine Naturdialektik. Ganz ungeniert werden die Gesetze der Natur wieder wie bei Wolff und Baumgarten mit den Gesetzen der Vernunft identifiziert und eine ganze Welt aus Begriffen erbaut. Allerdings nicht entwickelt. Seine Naturlehre besteht mehr aus veranschaulichenden Beispielen als aus systematischer Konstruktion, und wenn sich ein Naturphänomen partout nicht ins Korsett der Selbstbewegung des Begriffs fügen will, quittiert er es souverän mit tant pis pour la nature. Schließlich hätte ihn auch unter den Menschen, wie er abschließend bemerkt haben soll, nur einer wirklich verstanden, doch "auch der verstand mich nicht".

So hinterließ er seinen Adepten überreichlichen Stoff für ihre Exegesen, und der reichte für ein gutes Jahrzehnt. Doch dann fiel Gebäude geräuschlos zusammen, und hätten nicht die Junghegelianer so einen Lärm gemacht, hätte es das Publikum schon gar nicht mehr bemerkt. Es ist eine Tatsache, dass in der Folge die Philosophie nahezu in den Untergrund verbannt war, und jeder Gedanke an ein philosophisches System ist  unwiderruflich diskreditiert.

Allerdings nur bei denen, die von der Geschichte des Denkens etwas wissen und wissen wollen. Die sich in der Philosophie heute unbefangen Systematiker nennen, wissen nichts und wollen nichts wissen.

 

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Was wird aus unserm Universum?

Schwarzer Zwerg                                                zuJochen Ebmeiers Realien

aus scinexx                                                                                                                        In ferner Zukunft könnten Sternenreste zu Schwarzen Zwergen erkaltet sein, von denen einige explodieren. Diese exotischen Supernovae wären die letzte Lebensregung des Kosmos. 

Wie wird unser Kosmos enden?
Physiker prognostiziert "Schwarze Supernovae" als letzte Lebensregung im Universum 
 
Dunkel und leer: In ferner Zukunft wird unser Kosmos nur noch aus Schwarzen Löchern und toten Sternenresten bestehen. Was dann geschieht, hat nun ein Physiker untersucht. Demnach kühlen zunächst die Weißen Zwerge zu kalten und dunklen „Schwarzen Zwergen“ ab. Von diesen hat rund ein Prozent genügend Masse, um in einer letzten Explosion endgültig zu verglühen – das allerdings wird erst in 101100 Jahren passieren. 
 
Unser Universum entstand vor rund 13,8 Milliarden im Urknall und dehnt sich seither immer weiter aus – davon zeugen die Bewegungen der Galaxien und die kosmische Hintergrundstrahlung. Gängiger Theorie nach wird sich diese von der rätselhaften Dunklen Energie angetriebene kosmische Expansion fortsetzen und beschleunigen. Das hat zur Folge, dass sich Materiedichte und Temperatur immer weiter verringern werden – der Kosmos wird leer und kalt.

„Im Verlauf der nächsten rund 100 Billionen Jahre werden fast alle Sterne ihren Fusions-brennstoff aufgebraucht haben und zu degenerierten Weißen Zwergen werden“, erklärt der theoretische Physiker Matt Caplan von der Illinois State University. „Das Universum wird dann größtenteils aus Schwarzen Löchern und ausgebrannten Sternen bestehen. Es wird ein trauriger, einsamer, kalter Ort sein.“

Schleichende Umwandlung

Doch was passiert dann? Gängiger Theorie nach erkalten die Weißen Zwerge immer weiter, bis sie auskristallisieren und schließlich bis auf die Hintergrundtemperatur abkühlen. Doch wie Caplan erklärt, gibt es noch eine andere Möglichkeit. Zwar ist die Kernfusion in diesen „Schwarzen Zwergen“ größtenteils erloschen, aber selbst in ihnen können durch das Phänomen des Quantentunnelns noch vereinzelt Atome ihre Abstoßung überwinden und verschmelzen.

Diese sogenannte pycnonukleare Fusionsreaktion führt dazu, dass sich die Zusammen-setzung der Sternenreste im Laufe der Zeit ändert. Die schleichende Fusion verschmilzt Silizium, Kohlenstoff und Sauerstoff zu schwereren Elementen, bis sich schließlich – nach der ungeheuren Zeit von rund 101100 Jahren – im Kern der Zwerge das Isotop Eisen-56 anreichert. Dieses jedoch gibt bei seiner Entstehung Positronen ab, die den Kern des Sternenrests destabilisieren, wie Caplan erklärt.

Wenn Schwarze Zwerge explodieren

Die Folge: Der Kern der Schwarzen Zwerge kollabiert und es kommt zu einer Explosion. „Wir schätzen, dass rund ein Prozent der Trilliarden heutigen Sterne einst kollabieren und zur Supernova werden wird“, sagt Caplan. Denn wie er ermittelt hat, erfüllen nur diejenigen Schwarzen Zwerge die nötigen Voraussetzungen für eine solche „schwarze Supernova“, die zwischen 1,2 und 1,4 Sonnenmassen schwer sind. Nur bei ihnen kommt es durch das Eisen-56 zur fatalen Destabilisierung.

Alle leichteren Sterne bleiben dagegen Schwarze Zwerge, die weiterhin als tote, kalte Reste im All kreisen. „Unsere Sonne hat nicht genügend Masse, um als Supernova zu explodieren – auch nicht in der fernen Zukunft“, sagt der Forscher. „Man könnte die gesamte Sonne in Eisen umwandeln und es würde dennoch nichts passieren.“

Letztes „Wimmern“ des Kosmos

Und dann? Caplan schätzt, dass die Phase der schwarzen Supernovae in rund 100 Billionen Jahren beginnt und sich über die unvorstellbare Zeitspanne von 1032000 Jahren hinziehen wird. Dabei werden zuerst die massereichsten Schwarzen Zwerge explodieren, dann die leichteren, bis schließlich nichts mehr übrig ist, das noch Energie oder Wärme freisetzen kann. Dann wird das Universum endgültig tot und still sein.

„Es ist schwer vorstellbar, dass danach noch irgendetwas kommen könnte“, so der Physiker. „Die Supernovae der Schwarzen Zwerge könnten wirklich das Letzte sein, dass im Kosmos noch passiert.“ Zu diese Zeitpunkt wird das Universum kaum mehr etwas mit dem heutigen gemeinsam haben: „Galaxien sind aufgelöst, Schwarze Löcher zerstrahlt und die Expansion des Kosmos hat alle verblieben Objekte so weit auseinander gezogen, dass nicht einmal das Licht ihrer Explosion die anderen erreicht.“

Oder kommt doch ein „Big Bounce“?

Allerdings: Dieses Szenario ist nur eines der zurzeit unter Physikern und Kosmologen diskutierten. Nach der Hypothese des „Big Bounce“ könnte sich die kosmische Expansion schon lange vor dem Ende aller Prozesse abrupt umkehren. Das Universum würde dadurch kollabieren und in den Zustand des Urknalls zurückkehren. Dann könnte eine neue Ausdehnung folgen – quasi ein Neustart unseres Kosmos.

Andere Hypothesen gehen stattdessen davon aus, dass subatomare Prozesse im Laufe der Zeit Kernbausteine wie die Protonen zerfallen lassen. Dann wäre selbst die Materie am Ende des Kosmos nicht mehr vorhanden – und Schwarze Zwerge würden sich auflösen, lange bevor sie explodieren. Wie unser Universum tatsächlich enden wird, ist daher vor allem eines – ein großes Rätsel. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2020; doi: 10.1093/mnras/staa2262)

Quelle: Illinois State University

Es hängt wirklich vom Betrachter ab.

Eugen Wigners  Freund vermisst in seinem Labor ein Quantenteilchen (rechts). Für Wigner, dargestllet durch eine Hand, befinden sich sein Freund und das Teilchen in einem Überlagerungszustand aller Möglichkeiten. Artwork by Anthony Dunnigan.                                                            zuJochen Ebmeiers Realien

aus FAZ.NET, 24.08.2020                                       Eugen Wigners Freund vermisst in seinem Labor ein Quantenteilchen (rechts). Für Wigner, dargestellt durch eine Hand, befinden sich sein Freund und das Teilchen in einem Überlagerungszustand aller Möglichkeiten.

Realität in der Quantenphysik
Sind Fakten nur eine Frage der Perspektive?
 
Ein Kommentar von Ulf von Rauchhaupt

„Wigners Freund“ ist ein berühmtes physikalisches Gedankenexperiment von Eugen Wigner. Es schürt Zweifel, ob Fakten für alle Beobachter immer dieselben sind. Nun haben australische Physiker es als echtes Experiment durchgeführt.

Wissenschaft steht im Ruf, sich um Fakten zu bemühen. Umso mehr muss eine neue Forschungsarbeit in „Nature Physics“ irritieren. Darin haben australische Forscher eine paradoxe Konsequenz der Quantentheorie untersucht, auf die der Physiker Eugen Wigner 1961 im Gedankenexperiment gestoßen war. Er hatte sich vorgestellt, ein Labor zu kontrollieren, in dem ein Freund ein Quantenteilchen vermisst. Als solches befindet sich dieses vor der Messung in einem Zustand der Überlagerung aller möglichen Messergebnisse.

Nach der Messung hat Wigners Freund ein bestimmtes Ergebnis vor sich – nicht aber Wigner. Solange ihm der Freund nichts kommuniziert, bleiben Teilchen und Freund für ihn im Zustand der Überlagerung aller Möglichkeiten. Was hier Fakt ist, hängt also davon ab, ob man Wigner ist oder dessen Freund.

Das klingt nach einer Sophisterei der besonders arkanen Sorte, doch die australische Studie erbringt den bisher klarsten Hinweis auf die Relativität von Faktizität auf der Ebene der Mikrophysik. Dazu bauten die Autoren das Gedankenexperiment als ein reales Experiment nach, in dem Wigner und Freund durch Lichtteilchen vertreten sind.

Wenn es nun – neben zwei weiteren weithin als gültig erachteten Annahmen – so wäre, dass ein beobachtetes Ereignis nicht relativ zu irgendetwas oder irgendwem ist, dann müsste ein bestimmter mathematischer Zusammenhang zwischen den Daten des Experiments erfüllt sein. Wie sich aber zeigte, ist er nicht erfüllt.

Über die philosophischen Implikationen dieses Befundes darf nun gestritten werden, allerdings nicht darüber, ob es seinetwegen nun zulässig sei, wissenschaftliche Fakten nach Gusto durch „alternative Fakten“ zu ersetzen. Schließlich ist auch Quantenphysik Wissenschaft und sogar eine, die sich nicht nur des in ihr Aussagbaren versichern kann, sondern sogar dessen Grenzen.

 

Nota. - Nicht "alles" hängt vom Betrachter ab. Das ist ein Ergebnis aus der Mikrophysik. Die Frage, ob es auf die kosmische Makro- oder unsere irdische Mesophysik übertragbar ist, wird dadurch nicht aufgeworfen. Dafür müsste es spezifische Befunde aus beiden Bereichen geben, die innerhalb ihres eigenen Geltungsbereichs nicht erklärlich wären.

Überhaupt können Fakten erkenntnislogische Themen nicht berühren. Sie können die eine oder die andere Messtechnik nötig machen; nicht aber die logischen Schlüsse, die aus den ermittelten Daten zu ziehen sind. Die unterliegen der Vernunft. Und was Vernunft ist, ist eine, nein: die Frage der Philosophie. 

Zum vorliegenden Experiment kann man nur sagen: Es beweist gar nichts. Aber es widerlegt die Annahme, dass das Gesetz von Ursache und Wirkung die gesamte Natur durchherrscht. Nun kann man fragen: Liegt das Problem bei dem pp. Gesetz, oder liegt es an unserer Vor-stellung von der Natur? Schlaumeier werden sagen: Aber das ist ein und dieselbe Frage.

JE

Freitag, 28. August 2020

War der Wert schon vor dem Tausch?

zisch-stimme                                                                                 aus Marxiana

Die Waare, als die elementarische Form des bürgerlichen Reichthums, war unser Aus-gangspunkt, die Voraussetzung für die Entstehung des Capitals. Andrerseits erscheinen Waaren jetzt als das Product des Capitals.

Dieser Cirkellauf unsrer Darstellung entspricht sowohl der historischen Entwicklung des Capitals, für welche ein Waarenaustausch, Waarenhandel, eine der Entstehungsbedingungen bildet, die sich selbst aber auf der Grundlage verschiedner Productionsstufen bildet, denen allen gemein ist, daß in ihnen die capitalistische Pro- duction noch gar nicht oder nur noch sporadisch existirt. Andrerseits ist der entwickelte Waarenaustausch und die Form der Waare als allgemein nothwendige gesellschaftliche Form des Products selbst erst das Re-sultat der capitalistischen Productionsweise. /

Betrachten wir andrerseits die Gesellschaften entwickelter capitalistischer Production, so erscheint in ihnen die Waare sowohl als die beständige elementarische Voraussetzung des Capitals wie andrerseits als das unmittelba- re Resultat des capitalistischen Productions-prozesses.

Waare und Geld sind beide elementarische Voraussetzungen des Capitals, entwickeln sich aber erst zu Capital unter gewissen Bedingungen. Capitalbildung kann nicht stattfinden, ausser auf Grundlage der Waarencirculation, (welche Geldcirculation einschließt), also auf einer schon gegebnen, zu einer gewissen Umfang gediehenen Stufe des Handels, während umgekehrt Waarenproduction und Waarencirculation zu ihrem Dasein keineswegs die capi-talistische Productionsweise voraussetzen, vielmehr, wie ich früher schon auseinanderge-setzt, auch „vorbürgerlichen Gesellschaftsformen angehört“. Sie sind historische Voraus-setzung der capitalistischen Productionsweise.


Andrerseits aber wird die Waare erst die allgemeine Form des Products, muß alles Product die Form der Waare annehmen, ergreifen Kauf und Verkauf nicht nur den Ueberfluß der Production, sondern ihre Substanz selbst, und treten die verschiednen Productionsbedin-gungen selbst umfassend als Waaren auf, die aus der Circulation in den Productionsproceß eingehn, nur auf Grundlage der capitalistischen Production. Wenn die Waare daher einer-seits als Voraussetzung der Capitalbildung, erscheint andrerseits die Waare, so weit sie all-gemeine elementarische Form des Products ist, wesentlich als das Product und Resultat des kapitalistischen Productionsprocesses. Producte nehmen auf frühren Productionsstufen theilweise die Form der Waare an. Das Capital dagegen producirt sein Product nothwendig als Waare.

Im Maaß der Entwicklung der capitalistischen Production, i. e. des Capitals, realisiren sich daher auch die allge- meinen über die Waare entwickelten Gesetze, z. B. die den Werth be-treffenden, in den verschiednen Formen der Geldcirculation. 

Es zeigt sich hier, wie selbst früheren Productionsepochen angehörige ökonomische Cate-gorien auf Grundlage der capitalistischen Productionsweise einen spezifisch verschiednen, historischen Charakter erhalten. 

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K. Marx, Ökonomisches Manuskript 1863-1865, MEGA II/4.1, S. 24f.



Nota. - "...auch die allgemeinen über die Ware entwickelten Gesetze, z. B. die den Wert be-treffenden" - hier ist Marx unterlaufen, was Kenner eine Hegelsch-platonische Fehlleistung nennen würden. 

Die Preise folgen dem Spiel von Angebot und Nachfrage, sagen die von Marx so genannten Vulgärökonomen; sie schwanken hin und her, nach oben und unten. Gewiss, sagt  Marx, aber sie schwanken nicht frei nach Laune, sondern um eine Mittellinie. Was ist die Mittel-linie? Der Durchschnitt. Wer oder was bestimmt den Durchschnitt? Der Wert, nämlich die Reproduktionskosten der Arbeitskraft.

Das ist gewiss richtig, wenn und wo der Austausch von Waren regulär geworden ist - denn (nur) dann ist ipso facto die Warenproduktion regulär geworden. Nur wenn - nicht ein lokaler und momentaner 'Markt', sondern: - das Marktgeschehen nach Raum und Zeit stetig geworden ist, kann sich ein realer Durchschnitt überhaupt ausbilden, nur dann bestimmt nicht diese oder jene zufällige Verkettung von Umständen, sondern das Gesetz der großen Zahl das Ge-schehen, wie der von Marx geschätzte Quételet es nannte.  

Wenn der Austausch von Waren und folglich die Warenproduktion regulär geworden ist, dann ist - nicht logisch, aber historisch - der Tausch der Arbeitkraft gegen Geld regulär gewor-den; und kann der Wert der Arbeitskraft als der Ware par excellence regulierend in den Pro-zess eingreifen und einen reellen Durchschnitt bestimmen. 

Auf einem lokalen Wochen- oder Monatsmarkt kann ein Statistiker aus Tabellen ex post einen Durchschnitt errechnen. Doch der ist rein fiktiv und bedeutet nichts als sich selbst. Vom Wert der Arbeitskraft wird aber behauptet, dass er regelt, in welchen Proportionen der eine Gebrauchsgegenstand tatsächlich gegen einen andern Gebrauchsgegenstand ausge-tauscht wird; und zwar heute und morgen und in München so gut wie in Flensburg; im Durchschnitt, versteht sich, und ohne dass ihn einer berechnen musste.
31. 7. 18

 

Nota II. - Man kann auf diesem hegelisch verminten Terrain bei der Wortwahl gar nicht vorsichtig genug sein. Höre ich mich da eben sagen, der Wert bestimme den Durchschnitt? Den Durchschnitt der Preise, um den ging es ja wohl. Doch der Durchschnitt der Preise ist der Wert. Der Durchschnitt der Preise ist das Durchschnittsergebnis aller Tauschakte in einem bestimmten Zeitraum.* Ohne sie gäbe es ihn nicht. Die tatsächlich erzielten Preise werden im Verlauf des Tauschprozesses reduziert auf ein Mittelmaß. Lediglich der Mathema-tiker kann meinen, der Durchschnitt existiere selbstständig, unabhängig von allem andern; denn für ihn ist er nur eine Zahl - wie alle andern. Doch keine gezählte, sondern lediglich eine gedachte Zahl. Man erkennt es daran, dass sie... aus dem Durchschnitt der Preise post fac-tum errechnet werden muss. 'Von sich aus' zeigt sie sich nirgends. 

*) Über Zeitraum und Weite bestimmt der Statistiker nach Gutdünken; in der Wirklichkeit gibt es nur einen Prozess ohne vorfindliche Grenzen.

JE