s.plurielles zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Die Möglichkeit des Begriffs wurde nur gezeigt unter ge/wissen Voraussetzungen, die wir stillschweigend machen mussten und konnten.
Wir
sind so verfahren: Ich bin ursprünglich praktisch beschränkt; daraus
entsteht ein Ge-fühl; ich bin aber nicht bloß praktisch, sondern auch
ideal. Die ideale Tätigkeit ist nicht beschränkt, folglich bleibt
Anschauung übrig. Gefühl und Anschauung sind miteinander verknüpft. Im
Gefühl muss eine Veränderung stattfinden, das ist die Bedingung des
Be-wusstseins. Ich bin in der Beschränktheit beschränkt,*
werde also auch in der Anschauung Y beschränkt; aus jeder
Beschränktheit entsteht ein Gefühl, also müsste auch hier ein Ge-fühl
entstehen, das Gefühl eines Denkzwangs, und mit diesem Anschauung meiner
selbst. Eine Anschauung, in der das Anschauende selbst gesetzt wird,
die auf das Anschauende bezogen wird, heißt ein Begriff vom Ding, hier
von Y.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 101f.
*) [indem die an sich unbeschränkte ideale Tätigkeit auf die Beschränktheit der realen Tä-tigkeit notwendig reflektiert. JE]
Nota I. - Im
Gefühl, nämlich wenn sie auf Sinnliches stößt, ist die Einbildungskraft
be-schränkt: Sie muss sich an das halten, was sie vorfindet. In der
Reflexion - Anschauung ist die allererste Reflexionsstufe - ist die
Einbildungskraft nicht beschränkt, sie kann über das Angetroffene
hinausgehen. Es entsteht ein Überschuss.
Was
nun hat es mit dem 'Denkzwang' auf sich? Wo die Anschauung an die
Stelle stößt, die der realen Tätigkeit ein Gefühl mitteilt - also an
den Gegenstand Y -, da entsteht auch ihr ein Gefühl ("Selbstaffektion"), nämlich ein Denkzwang, sie muss sich den Gegenstand so vorstellen und nicht anders; aber sie muss dort nicht stehenbleiben und schießt darüber hinaus.
Die so sehr abstrakte Diktion
Fichtes ist, wenn man es ernstlich ausprobiert, bildhafter und
'anschaulicher', als ihr nachgesagt wird
20. Juni 2015
Nota II. - Die Unterscheidung von realer und idealer Tätigkeit ist kein Postulat; ist nicht a priori konstruiert, um diese oder jene Schlussfolgerungen zu erlauben. Sondern unser vorge-fundener Vernunftzustand, der der Ausgangspunkt der kritischen Untersuchung war, zeich-net sich eben dadurch aus, dass wir wirklich Gegenstände wahrnehmen und wirklich darauf reflektieren können. Es wird nicht behauptet, dass es sich um zwei verschiedene 'Vermögen' handelt - das bleibt ganz offen -, sondern lediglich, dass beides in unserm Vermögen liegt: in der Einbildungskraft. Die Tätigkeit ist je eine spezifische, das finden wir vor und das lässt sich unterscheiden. Es gibt keinen Grund, darüber hinauszuspekulieren.
JE
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