
Historisch
betrachtet erscheint diese
Verkehrung als der nothwendige Durchgangspunkt, um die Schöpfung des
Reichthums als solchen, d. h. der rücksichtslosen Productivkräfte der
gesellschaftlichen Arbeit, welche allein die materielle Basis einer
freien
menschlichen Gesell-schaft bilden können, auf Kosten der Mehrzahl zu
erzwingen. Es muß durch diese gegen-sätzliche Form durchgangen werden,
ganz wie der Mensch seine Geisteskräfte zunächst sich als unabhängige
Mächte gegenüber religiös gestalten muß. Es ist der Entfremdungsproceß
seiner eignen Arbeit.
Insofern steht hier der Arbeiter von vorn herein höher als der Capitalist, als der letztre in jenem Entfremdungsproceß wurzelt und in ihm seine absolute Befriedigung findet, wäh-rend der Arbeiter als sein Opfer von vorn herein dagegen in einem rebellischen Verhältniß steht und ihn als Knechtungsproceß empfindet.
So weit der Productionsproceß zu gleich wirklicher Arbeitsproceß ist und der Capitalist als Aufseher und Leiter desselben eine Function in der wirklichen Production zu verrichten hat, bekömmt seine Thätigkeit in der That einen spezifischen, mannigfaltigen Inhalt. Aber der Arbeitsproceß selbst erscheint nur als Mittel des Verwerthungsprocesses, ganz wie der Gebrauchswerth des Products nur als Träger seines Tauschwerths.
Die Selbstverwerthung des Capitals – die Schöpfung von Mehrwerth – ist also der bestim-mende, beherrschende und übergreifende Zweck des Capitalisten, der absolute Trieb und Inhalt seines Thuns, in der That nur der rationalisirte Trieb und Zweck des Schatzbildners – ein durchaus armseliger und abstrakter Inhalt, der den Kapitalisten von einer andren Seite ganz ebenso sehr unter der Knechtschaft des Capitalverhältnisses erscheinen läßt, wenn auch von andrer Seite her, auf dem entgegengesetzten Pol, als den Arbeiter.
____________________________________________________
K. Marx, Ökonomisches Manuskript
1863-1865, MEGA II/4.1, S. 65
Nota. - Der Gedanke, dass der Kapitalist tiefer in der Entfremdung steckt als der Arbeiter, sofern nämlich jener in aufrührerischem Widerspruch zu einer Situation steht, in der der Kapitalist vielmehr seine Befriedigung findet, entspricht einer Darstellung Hegels im 'Herr-und-Knecht'-Kapitel der Phänomenologie des Geistes und hat viele Exegeten zum Schrei-ben angeregt.
Die wissenschaftliche Darstellung von der Realität der Ausbeutung wäre ohne Sinn und Zweck ohne die Möglichkeit eines Bewusstseins von der Ausbeutung. Die Möglichkeit eines solchen Bewusstsein beruht keineswegs auf der 'konkreten Erfahrung des Arbeiters in der Fabrik': Dort verkleistert ihm die Verdinglichung die Augen ebenso wie dem Kapitalisten. Die Lücke, die sich in seiner Entfremdung auftut, ist vielmehr der Unwille gegen seine Klassenlage. Aus diesem Unwillen, der ein Politikum ist, wird unter günstigen Bedingungen (und bei wissenschaftlicher Aufklärung) vielleicht eine Einsicht in die Verdoppelung des Produktionsprozesses zu Arbeits- und Verwertungsprozess; doch ganz sicher nicht andersrum.
JE, 24. 8. 18
Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog JE
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen