aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Der deduzierte Satz hat
mit dem Sittengesetz nichts zu tun, ist ohne dasselbe deduziert, und
schon darin liegt, da nicht mehr als eine Deduktion desselben Begriffes
möglich ist, der fak-tische Beweis, dass er nicht aus dem Sittengesetze
zu deduzieren sei. Auch sind alle Versu-che einer solchen Deduktion
gänzlich misslungen.
Der Begriff der Pflicht,
der aus jenem Gesetze hervorgeht, ist dem des Rechtes in den mei-sten
Merkmalen geradezu entgegengesetzt. Das Sittengesetz gebietet
kategorisch, das Rechts-gesetz erlaubt nur, aber gebietet nie, dass man
sein Recht ausübe. Ja, das Sittengesetetz ver-bietet sehr oft die
Ausübung eines Rechts, das dann doch nach dem Geständnis aller Welt
darum nicht aufhört, ein Recht zu sein. Das Recht hatte er wohl, urteilt
man dann, aber er hätte sich desselben hier nicht bedienen sollen.
Ist denn dann das
Sittengesetz, ein und ebendasselbe Prinzip, nicht mit sich selbst uneins
und gibt zugleich in dem selben Falle dasselbe Recht, das es zugleich
in demselben Falle aufhebt? Es ist mir keine Ausrede bekannt, die diesem
Einwurfe etwas scheinbares [sic] entgegengesetzt hätte.
_______________________________________________________________________J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 54
Nota I. - Das
ist der politische Kerngedanke der Wissenschaftslehre: Recht stammt aus
der Vernunft und Vernunft stammt aus der Freiheit. Recht zieht die
Grenze, innerhalb derer ein Jeder seine Freiheit ausüben kann; und diese
Grenze ist die Stelle, wo die Freiheit der an-dern beginnt.
Moral dagegen gebietet
positiv. Jedoch nie, wie sich finden wird, überhaupt und im Begriff,
sondern stets spezifisch und konkret. Das einzige allgemeine Gesetz,
das man ihr nachsa-gen kann, lautet: Tue jederzeit, was dir dein Gewissen
gebietet. Und das ist ganz eigentlich Freiheit: niemandem verantwortlich sein, als dem eigenen forum internum.
28. 2. 19
Nota II. - Wenn einer sein Recht überschreitet, darf ich ihn zur Verantwortung ziehen, und um der rechtlichen Verfassung des Gemeinwesens willen auch dann, wenn mein eignes Recht gar nicht beeinträchtigt wurde. Wenn einer seine sittlich Pflicht verletzt, ist das seine Sache und die seiner Nächsten, und nur, wenn ich ihm selber irgendwie nahestehe, darf ich ihn ermahnen.
Wenn ein Politiker ein öffentliches Mandat beansprucht, scheidet er von vorherein aus, wenn er das Recht verletzt hat. Hat er seine sittliche Pflicht versäumt, darf ich meine Mit-bürger darauf aufmerksam machen, damit sie ihm so wie ich ihre Stimme verweigern, denn wenn nicht, wäre, anders als beim Privatverhältnis, meine Freiheit beschädigt, indem auch ich durch ihn vertreten würde. Doch einen Anspruch kann ich nicht geltend machen.
JE
Nota. Das
obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
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