Donnerstag, 24. Februar 2022

Selbstreferentielle Kunst.

Licht und Schatten: Koen van den Broeks Ölbild, „Salk Institute“, 2021, 80 mal 107 Zentimeter aus FAZ.NET, 24. 2. 2022                                  Koen van den Broek, Salk Institute, 2021                               zu Geschmackssachen

Mit Blick nach unten den Himmel sehen
Seine Gemälde beruhen auf fotografischen Schnappschüssen und erinnern zuweilen doch an Rothko: Die Kölner Galerie Philipp von Rosen zeigt neue Arbeiten des Belgiers Koen van den Broek. 

Von Georg Imdahl 

In einem Teich aus himmelblauer Farbe schwimmt ein schwarzes Kabel mit einem Stecker – so meint man auf den ersten Blick zu erkennen. Dann fällt der Blick auf eine angeschnit-tene Fassade links, es ist ein Hotel, das sich ebenso in einer Pfütze spiegelt wie die Straßenlaterne, deren Pfahl sich im Wasser zur Wellenlinie kräuselt. Das Hochformat hängt nicht über Kopf, wie der erste Anschein nahelegt, bei einem dunklen Stift an der oberen Bildkante handelt es sich um einen Poller, auch er ist als Spiegelung gegeben. Sind diese Irritationen geklärt, kann man sich dem nuancenreichen Blau widmen, das das Bild beherrscht, in seine Übergänge von hellem Licht bis zu trüber Dunkelheit: Die Farbzonen sind ähnlich geschichtet wie bei einem Rothko – so zum Beispiel ließe sich das Bild mit dem Titel „Hot“ von Koen van den Broek aus dem vorigen Jahr lesen.

Sämtliche Werke des Malers in seiner achten Ausstellung in der Kölner Galerie Philipp von Rosen beruhen auf Fotografien, die der 1973 geborene Belgier auf Reisen aufgenommen hat. Der Titel der Schau „Tango in Paris“ (Preise 29.500 bis 58.000 Euro) weist auf den Entstehungsort der Mehrzahl dieser Arbeiten hin: Seine erste Reise nach Ausbruch der Pandemie hatte ihn in die französische Hauptstadt geführt. Diese sei der „Sehnsuchtsort“ des Malers, schreibt der Galerist im Begleitheft. Schon seit seinen Anfängen richtet van den Broek die Kamera bevorzugt nach unten, schaut auf Trottoire, Bordsteine, die Straße, entdeckt in ephemeren Dingen und in den Ausschnitten, in welchen sie ihm in den Blick geraten, den Bildaufbau für seine Malerei.

Fotografisch malerisch: Koen van den Broek, „Water #3“, 2021, Öl auf Leinwand, 100 mal 135 Zentimeter
Koen van den Broek, „Water #3“, 2021,

Sein sechster Sinn für die Erträge des eingegrenzten Sichtfelds verbindet van den Broeks Œuvre mit Werken seiner belgischen Malerkollegen Bert de Beul und Raoul De Keyser, wobei er sich in seinen neuesten Arbeiten einen noch lässigeren Duktus zugelegt hat – so in „Water #3“ von 2021, in dem sich die Pfütze in fluffigen Pinselzügen formiert. Selten öffnet sich der Raum in die Tiefe. In einem der raren Werke („Pantin #3“) mit konventionellem Bildraum erahnt man eine Straße und ein parkendes Auto auf dem Randstreifen vor der untergehenden Sonne, während das Kameraauge dem Malerfotografen eine betörende Lichtbrechung schenkte, die er beherzt ausschlachtet und mit kräftigen Farben ins Bild setzt.

Ein kleiner Ausschnitt von Paris: Koen van den Broek, „Rue Cartier Bresson“, 2021, Öl auf Leinwand, 180 mal 135 Zentimeter
  Koen van den Broek, „Rue Cartier Bresson“, 2021

Die Eigenheiten des Kamerablicks demonstriert van den Broek mit zwei Bildern, die irgendwo draußen auf dem Land entstanden sind und wie Zwillinge nebeneinanderhängen: Dargestellt ist auf beiden derselbe Parkplatz mit Traktor und Pick-up, gemalt jedoch in konträren Hell-Dunkel-Kontrasten – „Off“ und „On“, die Titel beziehen sich auf die Einstellung des Blitzlichts. Ungewöhnlich symbolistisch erscheint ein rotes Interieur mit dem Kabelwerk einer Leuchte, das verschlungen von oben herab baumelt und düstere Assoziationen von Unterwelt und Tatort triggert.

Koen van den Broek, „Tango in Paris“, Philipp von Rosen Galerie, Köln, bis zum 26. März

 

Nota. - Die Zeit des Tafelbilds sei vorbei, kann man hören und lesen. Was immer man malt, ist so oder ganz ähnlich schonmal, ach was, schon viele Male dagewesen. Weder motivisch noch stilistisch kann man noch originell sein. Muss aber Kunst, um ihren Namen zu recht-fertigen, originell sein? Der Frage kann man ausweichen, indem man sie selber zum Gegen-stand macht: Was immer der Maler zeigt, muss uneigentlich aufgefasst werden, sodass die so unumgängliche wie unaussprechliche Frage was stellt das dar? sich sogar ganz im Stillen verbietet. Sogar, wie er malt, muss er nicht mehr selbst verantworten, er malt Fotos ab, nein, er stellt sie dar, wie er sie meint oder wie der Fotograf sie gemeint hat oder auch sonstwie, und die Farbgebung erinnert an Rothko. 

Das klingt ironisch, und natürlich ist es auch so gemeint, doch wie sichs gehört: nicht so ganz. Das ist ja alles wirklich so! Als noch nicht erschöpftes und wahrhaft unerschöpfliches, aber doch auch nicht unendlich interessantes Thema bleibt der Malerei eben dieses ihr Di-lemma. Und auf jeden Fall bleibt einem zum Schluss noch immer die Frage: Siehts nach was aus? 

Die bleibt unerschöpflich, und interessieren wird sie wie immer die Kunstfreunde. Nicht unbedingt die Käufer, und so bleibt den Malern ein weites Feld.
JE

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