
Lüge zeigt sich in Mimikry
Wer eine Geschichte frei erfindet, muss sich ganz schön anstrengen. Das schlägt sich unbewusst in der Körpersprache
von Christiane Gelitz
Auf
der Suche nach den Kennzeichen von Lügen konzentriert sich die
Wissenschaft vor allem auf die lügende Person. Doch was, wenn das
Zusammenspiel zwischen zwei Personen der Schlüssel ist? Ein Team um
Sophie van der Zee von der Universität Rotterdam unter-suchte dazu die
Körpersprache von Versuchspersonen, während eine die andere belog oder
ihr wahrheitsgemäß antwortete. Demnach unterscheiden sich sowohl
einfache als auch komplizierte Lügen nonverbal von wahren Aussagen –
wenn auch auf ganz andere Weise.
Die Gruppe aus England und den
Niederlanden hatte mehr als 80 britische Studierende ins Labor
eingeladen und dazu gebracht, mehr oder weniger komplizierte Lügen zu
erzählen: Erst wurde ein Teil von ihnen dazu verleitet, bei einem Puzzle
zu schummeln, dies danach aber abzustreiten. Dann sollten sie der
anderen Hälfte über den Hergang eines Spiels (»Clu-edo«) berichten, an
dem sie gar nicht teilgenommen hatten. Um die Lüge zu erschweren,
mussten einige noch dazu die Geschichte vom Ende her erzählen.
Währenddessen zeich-neten Sensoren an Kopf, Oberkörper und Handgelenken
die Bewegungen beider Ge-sprächspartner auf.
Ergebnis: Beim erfundenen Spielbericht und besonders beim Rückwärtserzählen ähnelten sich die Bewegungen von Lügenden und Belogenen stärker als während eines wahrheits-gemäßen Berichts. Anders beim einfachen Leugnen: Hier bewegten sich die Versuchsper-sonen sogar weniger synchron mit ihrem Gegenüber als bei wahren Aussagen. Der nonver-bale Gleichklang war an Kopf, Oberkörper und den Händen zu beobachten, wobei die rechte Hand der Lügenden die linke der Belogenen spiegelte und umgekehrt.
Achteten die Versuchspersonen womöglich bei schwierigen Lügen mehr auf ihr Gegen-über? Um das zu überprüfen, gab das Team um Sophie van der Zee in einem weiteren Experiment unterschiedliche Instruktionen. Eine Gruppe wurde gebeten, beim Lügen besonders auf das nonverbale Verhalten des Gegenübers zu achten, eine andere sollte sich auf das gesprochene Wort konzentrieren, und eine dritte Gruppe bekam keine solche Anweisung. Doch das spielte keine Rolle. Unabhängig von der Instruktion ahmten die Probanden wiederum bei schwierigen Lügen ihr Gegenüber stärker nach und bei einfachen Lügen weniger als bei wahren Angaben.
Es war also nicht der Wahrheitsgehalt, der sich in der Körpersprache niederschlug, sondern wie schwer es den Studierenden fiel, etwas Falsches zu erzählen. »Mit der geistigen Anstrengung steigt die Mimikry, weil das zwischenmenschliche Verhalten dann vermehrt automatisch gesteuert wird«, erläutern van der Zee und ihre Kollegen in der Zeitschrift »Royal Society Open Science«. Das nonverbale Spiegeln laufe weitgehend unbewusst ab; auch in der Nachbefragung habe niemand berichtet, sein Gegenüber bewusst nachgeahmt zu haben.
Viele Menschen versuchen beim Lügen ihre Bewegungen zu
kontrollieren, um sich damit nicht irgendwie zu verraten. Bei einfachen
Lügen bremsen sie so offenbar die natürliche Mimikry. Bei komplizierten
Aussagen bleibt dafür hingegen weniger Kapazität. Deshalb ist synchrone
Körpersprache letztlich kein eindeutiges Merkmal.
Auf die Praxis lässt sich der Befund ohnehin nicht
übertragen, unter anderem, weil die geistige Anstrengung im Einzelfall
von sehr vielen Bedingungen abhängen kann. Für die Forschung hingegen
ist eine Erkenntnis besonders bedeutsam: Die Wahrheit zu sagen, kann
anstrengender und mit mehr vermeintlichen Lügenmerkmalen verbunden sein,
als etwas Unangenehmes zu leugnen.
Nota. - "Auf die Praxis lässt sich der Befund ohnehin nicht übertragen" - natürlich nicht. Das Experiment zeigt nur, dass einer, der sich sehr konzentrieren muss, beim Reden dazu neigt, die Körpersprache seines Gegenübers nachzuahmen. Ob er sich wegen des Frei-er-finden-Müssens konzentriert oder weil die Wahrheit, die er mitteilen will, sehr komplex ist, spielt gar keine Rolle.
JE
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