Mittwoch, 17. November 2021

Keine intellektuelle Anschauung ohne Sinnlichkeit.

van Honthorst, Josef in seiner Werkstatt                        aus Wissenschaftslehre...

In dem Resultate unserer Untersuchung ist auch dies nicht außer Acht zu lassen: Die intel-lektuelle Anschauung, von der wir ausgegangen sind, ist nicht ohne eine sinnliche, und letz-tere nicht ohne ein Gefühl möglich; und man würde uns gänzlich missverstehen und den Sinn und die Hauptabsicht unseres Systems geradezu umkehren, wenn man uns die entge-gengesetzte Behauptung zuschriebe. 

Aber ebensowenig ist die letztere möglich ohne die erstere. Ich kann nicht sein für mich, ohne Etwas zu sein, und dieses bin ich nur in der Sinnenwelt, aber ich kann ebensowenig für mich sein, ohne Ich zu sein, und dieses bin ich nur in der intelligiblen Welt, die sich vermittelst der intellektuellen Anschauung vor meinen Augen aufschließt.

Der Vereinigungspunkt zwischen beiden liegt darin, dass ich für mich nur durch absolute Selbsttätigkeit zufolge eines Begriffes* bin, was ich in der ersteren bin. Unsere Existenz in der intelligiblen Welt ist das Sittengesetz, unsere Existenz in der Sinnenwelt ist die wirkliche Tat; der Vereinigungspunkt beider die Freiheit, als absolutes Vermögen, die letztere durch die erstere zu bestimmen.

*) [Das heißt bei F. nicht mehr als: die Vorstellung von einem Zweck.]

______________________________________________________________________
J. G. Fichte , System der Sittenlehre nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW IV, S. 91

 

Nota. - Es sieht nur so aus, als bräuchte F. die intellektuelle Anschauung, um  die Sinnlich-keit zu rechtfertigen - vor der Vernunft?! In Wahrheit ist es umgkehrt, die Sinnlichkeit ist "faktisch das ersten Unrsprüngliche", die intellektuelle Anschauung ist ein vertracktes Refle-xionsprodukt. Die Wissenschaftslehre hat aber nicht bei der Sinnlichkeit begonnen, sondern - als Kritik - bei der Vernunft. Es muss also dargestellt werden, dass - und wie - die Vernunft letztendlich auf die ursprüngliche Sinnlichkeit gründbar ist. Dazu ist die intellektuelle An-schauung da: um die Vernunft auf die ursprüngliche Sinnlichkeit zurückzubinden

Die Sinnlichkeit käme mühelos ohne intellektuelle Anschaunng aus, und tut es im Alttag außerhalb der Studierstuben ohn' Unterlass. Horibile dictu: Die Sinlichkeit kommt sogar ohne Vernunft aus.

JE

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen