Sonntag, 7. November 2021

Sein ist Bestimmtheit.

                               aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Dieses Etwas ist als ein wirkliches Handeln nicht gesetzt, was also davon dem Ich angehört, ist nicht zu erklären aus einem wirklichen Selbstaffizieren. Das Ich wird hier nur gesetzt als ein Vermögen des Handelns in diesem Mannigfaltigen. Nun aber kommt dieses Vermögen hier nicht vor als ein bloßes Vermögen, als eine Mögliches im Denken, sondern als ein An-schauliches, welchem insofern der Charakter des Seins zukommt.

Der Charakter des Seins ist Bestimmtheit, folglich müsste hier liegen ursprüngliche Be-stimmtheit zum Handeln überhaupt. -

Das Ich, sobald es gesetzt ist, ist nicht frei zu handeln überhaupt, sondern nur, ob es dies oder jenes handeln will; wir bekommen hier ein notwendiges Handeln. Das Wesen des Ich ist Tätigkeit, folglich wäre hier ein Sein der Tätigkeit. Das den Begriff von seinem Willen entwerfende Ich ist gebunden, aber die Gebundenheit deutet auf ein eigentliches Sein. Das Bindende und insofern Setzende ist dem Ich angehörig, aber das Ich ist hier praktisch (Tä-tigkeit), sonach ist hier ein Sein der Tätigkeit. Beide sich widersprechende Begriffe sind hier vereinigt (nämlich Sein und Tätigkeit), und diese Vereinigung wird hier betrachtet als ein Gefundenes.

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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 66


Nota I. - Sein ist Bestimmtheit. (Tätigkeit ist Bestimmen.) Das 'Sein' der Tätigkeit ist Be-stimmtheit zur Tätigkeit. Das Vermögen des Handelns ist zum Handeln bestimmt. Und wie immer: Das 'ist' nicht so, aber wird so vorgestellt.

27. 8. 16
 
Nota II. - Vom Standpunkt der kritischen, 'transzendentalen' Philosophie ist Sein durchaus nicht, wie in den rationalistischen Metaphysiken, das Summum verum: das Erschaffene. Als Re ales ist es dinglich: "liegende, tote Materie". Es ist nicht das Wirkliche: Wirklich ist nicht einmal 'das Wirkende', das ist bereits eine Abstraktion; sondern das Wirken selber im Mo-ment seines Geschehens. Wirken ist aber das Übergehen aus der Unbestimmtheit in die Bestimmtheit; ist Bestimmen. Das 'Sein des Bestimmens' ist ein noumenales Paradox und hat einen unübersehbar polemischen Charakter.
JE
 
 
 
Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

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