aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Alles Denken ist Übergehen von Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit. Alles Denken ist bestimmte Tätigkeit, die etwas / aus
der Masse herausreißt und bestimmt. Sowie etwas in die Form des Denkens
aufgenommen wird, wird es selbst bestimmt. (Dieses ist die erste
Hauptbemerkung, die man sich klarmachen muss, um einzusehen, wie aus dem
Über-sinnlichen ein Sinnliches wird.)
Wenn wir nun das Wollen denken, so wird es gerade so gedacht, wie wir es oben gedacht und beschrieben haben.
(Die
zweite Hauptbemerkung ist, dass allem Bestimmen ein Bestimmbares
vorausgesetzt werden muss, dies liegt in der Form unseres sinnlichen
Denkens.)
Das Intelligible wird sinnlich, indem es mit einem Bestimmbaren zusammen gedacht wird.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 145f.
Nota I. -
Die Tätigkeit der Einbildungskraft ist zuerst real, daraus erfolgt ein
Widerstand, er äußerst sich im Gefühl. Das Vorstellen beginnt mit der
Anschauung des Gefühls als dieses, sie ist die erste Stufe der Reflexion = ideale Tätigkeit; ist setzen. Die Aufnahme des Gesetz-ten in den Begriff ist bestimmen: Hier beginnt denken in specie. Bestimmen ist aber verend-lichen. Indem ein Intelligibles gedacht werden soll, wird es bestimmt und eo ipso verendlicht. - Sobald wir wirklich zu denken anfangen, verlassen wir das Reich des bloß Intelligblen und treten in die Sinnlichkeit ein.
Das
ist scholastisch formuliert, Fichte selbst hat auf dergleichen
verzichtet. Es ist auch kein Lehrsatz, sondern eine Verständnishilfe.
24. 12. 16
Nota II. - Alles Tätigsein ist Übergehen vom bestimmbar-Unbestimmten zum Bestimmen. Sofern 'Tätigkeit-überhaupt' gedacht wird, wird sie nur als dieses gedacht. Das erste, was es zu bestimmen gilt, ist das Wollen.
Die erste Willensbestimmung ist das Auswählen eines Gegenstands aus der
Mannigfaltigkeit des Erscheinenden. Noch ist der Gegenstand allein so bestimmt: dass ich ihn ausgewählt habe.
Die
Unterscheidung von realer und idealer Tätigkeit ist hier noch ohne
Belang. Dass ich einen Gegenstand gewählt habe, ist real. Wenn ich
daran denke, dass ich ihn gewählt habe, ist es ein idealer Akt. Welcher Art der Gegenstand
selber ist, ein gedachter oder sinnlich erfahrener, ist gleichgültig -
und muss es sein, denn als ich ihn wählte, nämlich zum Gegen-stand meiner
realen Vorstellung machte, konnte ich darüber noch nichts wissen. Dafür
be-durfte es einer Reihe weiterer Akte, realer wie idealer.
Sinnliche
Gegenstände begegnen einem Vernunftwesen doppelt - als Ding in Raum und
Zeit und als Begriff. Das eine ist das, was mir erscheint, das andere
ist die Bedeutung, die ich ihm beimesse. Das eine ist sinnlich, das
andere intelligibel. Ich mag mir einen intelligi-blen Gegenstand - einen Begriff - real vorstellen und ideal auf mein Vorstellen-seiner re-flektieren. In beiden Fällen 'ist' er intelligibel und nicht sinnlich-real.
Die Wissenschaftslehre verfährt allezeit sowohl auf der ersten semantischen Ebene als auch auf der zweiten: Das Ich tut, und eine andere Intelligenz schaut zu. Beides kann nur parallel dargestellt werden, und doch muss es unterschieden beiben. Die Schwierigkeit liegt in der transzendentalen
Betrachtungsweise selbst. Sie beschreibt die Tätigkeit dessen, der
selber in seinem Tun befangen ist, aus der Sicht eines unbefangenen
Zuschauers. Der Zuschauer handelt nie selbst, sondern immer nur, als ob er selber handeln würde. Doch nur er hat den Abstand, um auf das wirklich geschehene Handeln reflektieren zu können. Während der eine seine Tätigkeit bestimmt, bestimmt der andere... nicht, dass er sie bestimmt, sondern als was er sie bestimmt.
Denn der Zuschauer - die Wissenschaftslehre - befindet sich idealiter schon auf dem Standpunkt des ganzen Systems; anders hätte er - sie - mit dem Beschreiben des wirklichen Handelns gar nicht erst beginnen können.
Um dies abzurunden: Sache der Transzendentalphilosophie ist es darum nicht zu zeigen, wie aus einem Übersinnlichen
ein Sinnliches wird, sondern wie aus dem Sinnlichen das In-telligible
hervorgegangen ist: Es ist die Ur-Teilung des Handelns in Gegenstand und
Ab-sicht.
Und nicht zu vergessen: Bestimmen ist reale Tätigkeit, Bestimmen des Bestimmens ist ide-ale Tätigkeit.
JE; 7. 6. 19
Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE.
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