Sonntag, 25. Oktober 2020

Principium individuationis.

aus wikipedia                                                                           zu Philosophierungen

"Ist der Stoff das principium individuationis, oder die Form?"

Dauerthema der antik-scholastischen Philosophie: Was ist das principium individuationis:
-die Form, oder
-der Stoff?! [siehe v. Bracken, "Eckhart/Fichte"]

- Wenn Stoff als "Bestimmbarkeit" genommen wird, ist die forma (eídos) das Bestimmende, ihn also aus der Indifferenz heraus-hebende, -erlesende, -individuierende.

- Doch da die Form eben dasjenige ist, welches die Bestimmungen möglich macht; also die sinnvollen Aussagen; also dasjenige "an" den "Dingen", welches sie den andern "Dingen" kommensurabel macht; also dasjenige, welches 'dieses' Ding, singulum, zur Bedeutung bringt; also "für Anderes" [concevable] macht... - also ist die Form das Die-Einzelnen-Ver-allgemeinernde; ist also das Prinzip der Allgemeinheit, nicht der Individuation.

Das Quidproquo besteht natürlich wieder nur in der Vermengung ontologischer mit gnose-ologischen Fragestellungen. Die "Formen" - eídoi, logoi - stehen ja, als Gemachte-Gemein-te (nicht Gegeben-Genommene) von vornherein untereinander in Zusammenhang; sei's diskursiv, als Begriffe, in logischer "Wechselbestimmung"; sei's als 'Bilder' im Kaleidoskop* der 'Welt'; sind also Facta/Ficta, die instrumentell, intentionell, absichtsvoll an... "die Phä-nomene" herangetragen werden. Das 'Phänomen' ist hier das Datum, "das, was" im Be-wußtseinsakt "gemeint" ist: gemeint als dieses, nämlich im Unterschied, d.h. bestimmten Gegensatz zu den andern. D. h. die 'Andern', ihrerseits längst gemeint-bedeutete 'Dinge', sind dem aktuellen Bewußtseinsakt stets schon vorausgesetzt als das "Feld", dem das 'Die-ses' zuzuordnen ist; das Koordinatensystem, in das 'Dieses' als Topos einzusetzen ist. Die Bestimmung, Setzung des Bestimmbaren (="Stoff") als Dieses, die Individuation des Indif-ferent-Unbestimmten, ist ipso facto Verallgemeinerung...

"Stoff" ist in den reellen Vorgängen des Bewußtseins immer nur: "Erleben" (Dilthey), "Ge-schehen" (Lotze). Weil aber ein Erlebnis-Schatz, ein Fundus von schon-als-bedeutsam-festgehaltenem Geschehen den je aktuellen Bewußtseinsakten immer schon zugrunde liegt; nicht nur als - passive - "Folie", sondern, dynamisch, auch als Motiv: im Kaleidoskop der "Welt" rufen "Löcher" nach "Erfüllung", horror vacui der Einbildungskraft; darum ist der je aktuelle Bewußtseinsakt als ein Erlesen des Dieses aus der informen Flut der Bilder gleich-zeitig und uno actu Isolieren/Vereinzeln und logisch Beziehen auf etwas Allgemeines.

*) modernes Kunstwort aus kálos, schön, eídos, Bild/Form, skopein, schauen: "Kaleidoskop" ist das Instrument, Medium; nicht das Bild selbst.

aus e. Notizbuch, 15. 10. 94



Nachtrag.
- Es ist in Wahrheit eine vor-philosophische, meta-philosophische, über-rationa-le,  geschmackliche, ästhetische* Frage: Was ist gültiger - das Einzelne oder das Allgemeine? Das Wirkliche oder das Wahre? Es ist der Unterschied zwischen den Entelechien des Ari-stoteles und Platos Ideen. Aus Vernunftgründen kann man in dieser Sache nichts besorgen. Es ist eine Vor-Entscheidung; nämlich eine, bevor es Gründe gibt. Sie ist selber Grund-legend.

Nur lässt sich auf diesen Grund nicht bauen. Es handelt sich nicht um Sachverhalte, son-dern um Anschauungsweisen. Die Anschauungsweisen folgen Absichten. Absichten kann man nicht ex ante begründen, sondern nur ex post rechtfertigen. Es ist das Ergebnis, das zählt, nicht der Grund.

*) ex negativo: Entschließe ich mich, eine Sache ästhetisch aufzufassen, so entschließe ich mich, auf Verallgemeinerung zu verzichten. Da wir die Begriffe aber inzwischen gewohn-heitsmäßig gebrauchen, ist das gar nicht so einfach.

22. 5. 18


Nota. -  Mein Wortspiel factum et fictum convertuntur ist nicht so läppisch, wie es zunächst klingt. Was gemacht wurde, war, bevor es fertig wurde, nur als Vorstellung da; denn es muss-te beabsichtigt sein. Was aber aus dem Stoff gemacht wurde, ist eine Bestimmung seiner. Es ist im Austausch von Gemeintem dasjenige, worauf es ankommt - nicht das Bestimmbare. Der 'faktische' Gegenstand ist als dieser eine, in dem, was seine Individualität ausmacht, fin-giert. 

Wahrsein ist etwas Gemeintes.

JE 

 

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