... So energisch Hobbes einerseits Nominalist war, so entschieden war er auch Sensualist. Einbildungskraft entstünde durch das mehr oder minder alterierte Erinnern an vergangene Sinneseindrücke, und er zögert nicht, das mit dem griechischen Wort phantasia zu erläutern. Und in der Tat ist es schwer vorstellbar, wie das Gemüt, die Seele, die Intelligenz oder wie immer man es nennen mag, aus sich selber den Eindruck sinnlicher Erlebnisse produzieren könnte, für die es in seiner Lebensgeschichte keinerlei Vor-Bild gab. (Hier geht es um reale Psychologie, nicht um philosophische Abstraktionen.)
Von unserer
Lebenserfahrung her fällt es schwer, sich Einbildungen anders zu erklären als durch Erinnerung.
Die
Hirnphysiologie erklärt die Gedächtnisspuren aus Verschaltungen
zwischen Nerven-zellen. Diese entstehen allerdings nicht erst mit dem
Beginn des individuellen Erlebens. Millionenfach, milliardenfach werden
sie durch die gattungsgeschichtlichen Erwerbungen vererbt.
Aber auch das sind Erinnerungsspuren, wenn auch keine persönlichen.
Doch
das Gehirn wartet nicht darauf, dass ihm von außen Eindrücke beigebracht
werden, dafür bringt es schon viel zu viel gattungsgeschichtlich
erworbene Erfahrung mit. Es sucht sie vielmehr, es hält Ausschau nach ihnen
und hascht danach, und vergreift sich wohl auch dabei. Und es
experimentiert 'einbildend' nicht nur in der Außenwelt, sondern auch bei
sich zuhaus. Es ist empirisch ganz und gar nicht länger unvorstellbar,
dass es dabei Bilder erfin-det, die es nie zuvorgeschen hat (und ein anderer schon gar nicht).
Ernst Pöppel geht noch einen Schritt weiter. Er meint, dass unsere Fähigkeit zum Sehen-lernen sogar darauf beruht, dass das noch ungeborene Gehirn träumt und "sich etwas ein-bildet".
Alle anderen Sinne, Gehör, Tastsinn, Geruch und Geschmack bilden sich schon im Mut-terleib und bilden sich dort aus, allein
das Sehen nicht. Die Nervenzellen des Sehsystems sind wohl da, aber die
Sinneszellen haben noch nichts zu tun: "Ich vertrete die These, dass
die vorgeburtliche Phase des Menschen
entscheidend ist für die Prägung des visuellen Systems. Das Sehsystem
ist das einzige, das vor der Geburt nicht gereizt wird. Damit es aber
gleich nach der Geburt funktionieren kann, wird das visuelle System im
Gehirn mit Hilfe von Träumen gleichsam eingefahren. Mehr als 50 Prozent
der Zeit verbringen Kinder im Mutterleib in der Traumphase. Es hat dann
keinen evolutionären Grund gegeben, die Träume nach der Geburt wieder
abzuschaffen."
Thomas
Hobbes wäre heute dahingehend zu korrigieren, dass das grundlose,
unverursachte freie Erfinden von Bildern, die noch keiner gesehen hat,
sogar die Voraussetzung dafür ist, dass wir lernen, wirkliche Bilder
überhaupt wahrnehmen zu können.
14. 9. 14
Nota.
Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden.
Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
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