aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Es tut sich eín neuer Einwurf hervor, und erst nach dessen Beantwortung ist der Leib eines vernünftigen /
Wesens vollkommen bestimmt. Nämlich: Es ist behauptet worden: Ich kom-me
gar nicht zum Selbstbewusstsein und könnte nicht dazu kommen außer
zufolge der Ein-wirkung eines vernünftigen Wesens außer mir auf mich.
Wenn es nun gleich von mir abhängt, ob ich dieser Einwirkung mich
hingeben wolle oder nicht; ferner, wenn gleich, ob ich über-haupt und wie
ich zurückwirken wolle, von mir abhängt, so hängt doch die Möglichkeit
dieser Äußerung meiner Freiheit ab von der geschehenen Einwirkung des
anderen.
Ich werde zu einem vernünftigen Wesen in der Wirklichkeit, nicht dem Vermögen nach, erst gemacht;
wäre jene Handlung nicht geschehen, so wäre ich nie wirklich
vernünftig gewor-den. Meine Vernünftigkeit hängt demnach ab von der
Willkür, dem guten Willen eines An-deren, von dem Zufalle; und aller
Vernünftigkeit hängt ab von dem Zufall. So kann es nicht sein: Denn dann
bin ich als Person doch nicht selbstständig, sondern nur ein Akzidens
eines dritten, und so ins Unendliche.
Dieser Widerspruch
lässt sich nicht anders heben als durch die Voraussetzung, dass der
an-dere schon in jener ursprünglichen Einwirkung genötiget, als vernünftiges Wesen genötiget, d. i. durch Konsequenz verbunden
sei, mich als ein vernünftiges Wesen zu behandeln: und zwar, dass er
durch mich dazu genötiget sei; also dass er schon in jener ersten
ursprüngli-chen Einwirkung, in welcher ich von ihm abhange [sic], zugleich von mir abhängig sei. Aber vor jener Einwirkung auf mich bin ich gar nicht Ich;
ich habe mich nicht gesetzt, denn das Setzen meiner selbst ist ja durch
diese Einwirkung bedingt, nur durch sie möglich. Doch soll ich wirken.
Ich soll sonach wirken, ohne zu wirken; wirken ohne Tätigkeit.
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J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 73f.
Nota. - Nicht
die bürgerliche Gesellschaft wird gebildet, indem schon vernünftige
Wesen einander begegnen und auf einander wirken; sondern indem pp. Wesen auf einander wirken und zur Gesellschaft bilden, werden sie vernünftig. Denn die gegenseitige Einwirkung ge-schieht in der Verfolgung je eigener Zwecke. Vernunft ist die Vergesellschaftung von Zwek-ken: Es entstehen gemeinsame Zwecke. Das setzt voraus, macht erforderlich ein Vorstellen von Zwecken. Es reicht nicht, Zwecke zu haben, sondern um sie verhandeln zu können, muss man wissen, dass man sie hat.
So
kann F. nicht argumentieren, denn es setzt voraus die Begriffe Arbeit,
Arbeitsteilung, Tausch und... bürgerliche Gesellschaft. Über all diese
verfügt er nicht. Wir müssen uns daher auf eine weitere Verrenkung gefasst machen.
JE, 27. 4. 19
Nota. Das
obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
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