Freitag, 30. Oktober 2020

Wie zirkuliert Kapital?

fotos. sc                                                           aus Marxiana  

Es gilt als ein Hauptunterschied des fixen und des circulirenden Capitals, daß das letztre beständige Metamorphosen durchläuft, das erstre nicht. Dieser Unterschied ist hier näher zu untersuchen.

Erstens: So weit beide Product sind und Waare, machen sie beide dieselbe Metamorphose durch. Sie werden von ihren Producenten verkauft und die zu ihrer Reproduction nöthigen Elemente werden mit dem aus ihrem Verkauf gelösten Gelde, wieder gekauft. Dieß ist die eigentliche, formelle Metamorphose des Capitals, die bei- den gemeinsam ist.

Zweitens: Sobald aber das Product, das seiner Bestimmung und seinem Gebrauchswerth nach, als Arbeitsmittel, die stoffliche Gestalt des fixen Capitals bildet, als solches in den Productionsproceß eingegangen, und als solches functionirt, fährt es fort in dieser bestimm-ten Gestalt und Anwendungsart vernutzt zu werden, (mit gleich zu erwähnenden Modifica-tionen) und nur sein Werth wird von dem Product, in dessen Production es assistirt, circu-lirt. Dagegen wird das Product selbst, der Träger des circulirenden Capitals, aus dem Pro-ductionsproceß abgestossen und geht über in die Circulationssphäre, worin es die Hände wechselt und entweder als Consumtionsmittel in den Consumtionsfonds übergeht oder als Rohmaterial, matière instrumentale, unfertiges Fabrikat auf einer beliebigen Stufe, das auch als / Arbeitsmittel in den Productionsproceß eintritt, als Element des productiven Capitals functionirt. 


Während das fixe Capital, als permanent fortfunctionirender Bestandtheil des productiven Capitals physisch in der Hand des industriellen Capitalisten bleibt (was nicht hindert, daß Capitalist A durch Capitalist B ersetzt wird, der Eigenthümerwechsel am fixen Capital än-dert nichts an dieser seiner Bestimmtheit), muß das circulirende Capital in der Form des Waarencapitals veräussert werden etc. Indeß, wenn der Proceß continuirlich ist, der Produc-tionsproceß sich zugleich als fortlaufender Reproductionsproceß darstellen soll, ist der Wechsel auch ein monotoner. Es bezieht sich dieß auf die reelle Metamorphose, die das Capital durchläuft. In der Form des fertigen Products wird es Waare, und als solche in die Circulationssphäre geworfen; aber, nach seiner formellen Verwandlung in Geld, tauscht es sich wieder aus gegen, verwandelt es sich wieder in seine ursprünglichen Productions- oder Existenzelemente. 

Das Garn verwandelt sich wieder in seine Bestandtheile Baumwolle, Kohle, Spindel etc. Die ganze Metamorphose löst sich also auf in Vereinigung der Productionselemente zum Pro-duct und in die Wiederverwandlung des Products in dieselben (der Art nach) Productions-elemente, so daß das besondre circulirende Capital, ganz wie das fixe Capital, sich stets in derselben Form im Productionsproceß befindet: nur daß diese Continuität derselben Exi-stenzform innerhalb des Productionsprocesses vermittelt ist durch den beständigen Aus-tausch zwischen dem Product und den Elementen des Products, während mit Bezug auf das fixe Capital, während der ganzen Dauer seiner Reproductionsperiode, keine solche Vermittlung stattfindet.

Drittens: Seiner stofflichen Gestalt nach betrachtet, als Gebrauchswerth, ist dasselbe Roh-material, Eisen, Getreide, Pflanzenstoffe, Holz etc sehr verschiedner Nutzanwendung fähig. Dasselbe gilt von dem größten Theil der matières instrumentales; z. B. Kohle, Gas, Talg etc können in ganz verschiednen Productionsprocessen die- nen u. s. w. Mit denselben Nah-rungsstoffen können Thiere verschiedner Art gefüttert und Arbeiter aller Arten in Bewe-gung gesetzt werden. Die stofflichen Träger des circulirenden Capitals können also mehr oder minder zu sehr mannigfaltigen Productionsprocessen dienen und so sich in verschied-ne Form von productivem Capital (oder auch mehr dieselbe von verschiednen Elementen des Consumtionsfonds) verwandeln. Von den unferti- gen Fabrikaten, Halbfabrikaten u. s. f. gilt dieß in mindrem Grad, und nur theilweise. So weit sie transportirbar sind, und nicht lokal weiter verwerthet werden müssen, können sie aber ins Ausland geschickt und gegen andre Producte ausgetauscht, daher in eine Gestalt verwandelt werden, die mit ihrer eignen Bestimmung nichts ge- mein hat, was bei einem grossen Theil des fixen Capitals unmöglich ist. 

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K. Marx, Ökonomisches Manuskript 1863-1865, MEGA II/4.1, S. 282f.
  



Nota. - Die Zirkulation des Kapitals bedeutet den Stellenwechsel einer Wert größe, die immer einem bestimmten Gebrauchswert entspricht, im Prozess der materiellen Produk-tion. Nicht gemeint ist der eventuelle Wechsel des Eigentümers, der real keine Rolle spielt.
JE, 22. 10. 18

 
 

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