Lothar Sauer zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Es wird vorausgesetzt, dass man das
Dasein der Dinge außer sich annehme. Bei dieser An-nahme beruft man sich
auf einen inneren Zustand. Man geht bei dieser Überzeugung in sich
zurück in das Innere, man ist sich bewusst eines Zustandes, aus welchem
man auf das Dasein von Gegenständen außer sich schließt.
Nun ist man aber, inwiefern man
sich bewusst ist, ein vorstellendes Wesen, man kann also nur sagen, man
sei sich der Vorstellung von Dingen außer uns bewusst, und weiter wird
eigentlich auch nichts behauptet, wenn man sagt, es gebe Gegenstände
außer uns. Kein Mensch kann unmittelbar behaupten, dass er Sinne habe,
sondern nur, dass er notgedrun-gen sei, so etwas anzunehmen. Das
Bewusstsein geht nur auf das, das in ihm vorkommt, aber dies sind
Vorstellungen. -
Wer sich zum Nach-/denken über diese Erscheinung in der menschlichen Seele erhoben hat, muss sich wundern, da hier eine scheinbare Inkonsequenz ist. Man werfe sich also die Frage auf: Wie kommen wir dazu, anzunehmen, dass noch außer unsrer Vorstellung wirk-liche Dinge da seien? Viele Menschen werfen sich diese Frage nicht auf, entweder, weil sie diesen Unterschied nicht bemerken, oder weil sie zu gedankenlos sind. Wer aber diese Frage aufwirft, erhebt sich zum Philosophieren, diese Frage zu beantworten ist der Zweck des Phi-losophierens, und die Wissenschaft, die sie beantwortet, ist die Philosophie.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 3f.
Nota I. - Jeder
vernünftige Mensch glaubt an die Wirklichkeit der Welt, auch Fichte,
und vermutlich sogar, wenn er auf dem Katheder stand. (Allenfalls könnte er einwenden: Ge-glaubt habe er gar nichts mehr, sobald er auf sein Katheder stieg.)
14. 1. 16
Nota II. - Historisch betrachtet, muss man den Satz sogar zuspitzen: Dass einer an die Wirklichkeit der Welt glaubt, ist sogar die erste Bedingung dafür, dass er von vernünftigen Wesen als eins der ihren anerkannt wird. Andernfalls gilt er als verrückt.
JE
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