zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
... das Handeln mehrerer
Vernunftwesen ist eine einzige durch Freiheit bestimmte Kette. Die
ganze Vernunft ist nur ein einziges Handeln. Ein Individuum fängt an,
ein anderes greift ein und so fort, und so wird der ganze Vernunftzweck
durch unendlich viele bear-beitet und ist das Resultat von der Einwirkung aller.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 232f.
Nota I. - Die Wissenschaftslehre erzählt nicht nach, 'wie es wirklich ist',
sondern stellt dar, was in der Vorstellung wirklich vorkommt und weshalb
das notwendig ist. Hier steht also sinngemäß: Alles Reden von Vernunft
hat einen intelligiblen Sinn nur, wenn man sie so auffasst. Wird
der Weg fortgegangen, so wird es eine Kette sein. Aber sie wird aus
Freiheit fortgewirkt. Wenn wir uns also (in der Abstraktion) denken,
dass sie einmal an ein Ende käme, so wäre es nicht durch physische
Notwendigkeit als Folge seiner Ursache, sondern durch Freiheit als Zweck gesetzt:
'bedingt, aber nicht bestimmt'. Die Freiheit hätte an jedem Punkt auch
andere Möglichkeiten wählen und andere Teile anfügen können. Der
'End-zweck' wäre ein anderer geworden.
Wenn Hans Vaihinger die Wissenschaftslehre nova methodo gekannt hätte, wären ihm die Augen übergegangen und er hätte auf seine dickleibige Philosophie des Als Ob achselzuk-kend verzichtet. Und wenn Fichte seinen Weg nova methodo 'zuende gegangen' wäre, hätte er sich nie auf die dogmatische Auffassung eines Realabsoluten und eines gegebenen End-zwecks der Vernunft einlassen können.
12. 8. 17
Nota II. - So wie Vernunft in der Wissenschaftslehre dargestellt und ihr Voranschreiten ent-wickelt wird, ist sie aufzufassen als eine einzige Kette der (vernünftigen) Handlungen der Reihe von Vernunftwesen. Indem in der prozessierenden Wechselwirkung der Vernunftwe-sen aus den faktischen Vorstellungen die zufälligen ausgeschieden und allein die notwendi-gen als allgemeine Plattform zurückbehalten werden, ist der jeweilige Entwicklungsstand der Vernunft als einer bestimmt und bewegt sich auf seinen vorgestellten Endzustand hin.
Doch der bezweckte Endstand ist lediglich Idee und als solche auf ewig bestimmbar; und in jedem Moment folglich unbestimmt und daher Fiktion. Der Endzweck ist kein erreichbarer Punkt, sondern lediglich eine zu verfolgende Richtung.
JE
Nota Das
obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
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