wildwomanswimming zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Wir wollen jetzt einmal
den Stoff dieser Anschauung liegen lassen und sie der Form nach
bestimmen, und was mit ihr zusammenhängt.
4. Wie wollen die einzelnen Momente dieser Anschauung X aufzeigen.
Zuförderst: Nach dem Obigen fühlt das Ich sich selbst in der Anschauung. Durch dies Ge-fühl wird erst eine Anschauung meine Anschauung (voriger Paragraph).
Dies gilt von aller Anschauung, also auch von der An- schauung X. Ich
fühle mich als anschauend, nicht: Ich schaue mich an als anschauend,
denn im Anschauen verliert das Ich sich im Objekte. Das
Angeschaute in X ist das Ich selbst, es ist zugleich das Fühlende in
dieser Anschauung, bei-de sind sonach eins und dasselbe.
Woher diese Identität,
wie kommt sie vor im Bewusstsein? Endlich: Wie ist denn die An-schauung
X, oder als was wird das Ich angeschaut? Nach dem vorigen Paragraphen
können wir weiter nichts sagen als: Das Ich wird angeschaut als
anschauend Y. Das Ich fühlt sich als anschauend (voriger Paragraph).
Hier verwandelt sich das Selbstgefühl in Selbstanschauung.
Was kann das Objekt der
Anschauung X sein? Ich bin in Y in Beziehung auf ein Ding an-schauend,
diesem soll ich zusehen; wie ist dies möglich? Nicht unmittelbar
(voriger Para-graph); die Anschauung X soll die entgegengesetzten
Gefühle A und B vereinigen. Ihr Ob-jekt müsste sonach etwas beiden
Gemeinschaftliches sein. Nur, da von Veränderung des Zustandes die Rede
ist, so müsste es etwas in der Veränderung Fortdauerndes sein. In den
Gefühlen selber gibt es so ein Fortdauerndes nicht, denn A und B sind
sich entgegengesezt. Im Gefühl A kommt kein Fühlendes überhaupt vor,
ebenso in B nicht, denn jedes Gefühl ist ein Bestimmtes, aber ein Füh-
lendes, das nur überhaupt fühlt, ist kein Bestimmtes.
Nach dem Obigen können
wir sagen: Das einzige Dauernde ist das Handelnde, und zwar das
idealiter Handelnde, dies müsste Objekt der Anschauung Y sein, und
zwar qualis talis; denn anders kennen wir es nicht. Aber wie kann es zum
Objekt der Anschauung werden?
____________________________________________________________ J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 91
Nota. - Das Bewusstsein hebt an mit dem Gefühl, das Gefühl stammt aus dem Widerstand, den das Objekt dem Handelnden entgegensetzt: bis dahin ganz realistisch oder gar materia-listisch. Doch das Gefühl ist flüchtig. Ob das Objekt bleibt, wenn der Widerstand nachlässt - wie könnte ich davon wissen? Ich müsste mir aus eigner Autorität von ihm ein Bild ge-macht haben, und mit derselben Autorität könnte ich es behalten und meine Aufmerksam-keit gegen es wenden.
- Ist die Darstellung zuerst realistisch-materialistisch und wird erst danach idealistisch? Das zweite wird nachträglich aufgefunden, aber als eine Bedingung. Also als voraus-gesetzt. Ist beides falsch, ist beides richtig? Das kommt darauf an, von welcher Seite her man darauf blickt - vom Objekt her oder vom Handelnden her.
Blicken ist freilich schon Reflexion: Nur so kommen Objekt und Handelnder überhaupt "zu Stande". An sich, nämlich unabhängig von aller Reflexion, dem Bilden des Bildes, 'gibt es' nur das vorgängige Han-deln; allerdings für niemanden.
JE
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