
5) Dass es so sein
müsste, wie beschrieben worden ist, war aus der Beschreibung selbst
hervorgegangen. Soll nämlich eine freie Handlung des Ich, praktische
Tätigkeit, gesetzt werden, so muss Gefühl sein; das Gefühl hat aber
keinen anderen Einfluss in die übrigen Operationen der Vernunft, wenn es
nicht gesetzt wird. Aber es kann nicht gesetzt werden außer durch
Gegensatz mit der Anschauung. Die Hauptfrage ist nun, wie beide in
Gegen-satz und in Beziehung gesetzt werden; in welchem Akte des Gemüts
sie verglichen werden? (Das Gefühl sei - A, die Anschauung - B, nun muss
es ein Drittes - C geben, in welchem Gefühl und Anschauung, A und B
vereinigt sind.)
Mit der Anschauung ist
selbst ein Gefühl unmittelbar verknüpft, die Beziehung der An-schauung
auf mich. Das, wodurch sie meine Anschauung wird, ist selbst ein Gefühl.
War-um, könnte man fragen, erscheinen mir meine Gedanken, Anschauungen
etc. nicht als Be-wegung eines Fremden außer mir? Diese Frage ist
wichtig. (Die Kantische Synthesis der reinen Apperzeption erhebt sich
dazu nicht.)
Das
Setzen meiner selbst liegt gewissen Dingen zu Grunde, ist mit ihnen
vereinigt. Das Setzen meiner selbst bei der Anschauung ist ein Gefühl
von mir selbst. Im Gefühl von mir selbst ist offenbar nicht anderes
vor-handen, als auch ein Gefühl, ich fühle mich und fühle mich als
beschränkt. Ich fühle //81// mich, und indem ich fühle, schaue ich nicht an und denke nicht, ich bin dann nur für mich in [dem] und durch das Gefühl.
Aus
dieser Beschränktheit des Gefühls reiße ich mich los durch ideale
Tätigkeit, aber das losreißende Ich ist das, was beschränkt ist. Auf die
Weise, wie ich beschränkt bin für mich, muss ich auch das Losreißende
sein für mich. Also das Selbstbewusstsein ist das C, in wel-chem beides
aneinander gehalten wird. Nur durch das fort-dauernde Gefühl meiner
selbst werden Gefühl und Anschauung synthetisch vereinigt.
_______________________________________________________________________ J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 80f.
Nota. - Das Selbstgefühl ist offenbar noch kein Selbstbewusstsein. Es wird weiterer An-schauung = idealer Tätigkeit bedürfen, um dahin zu kommen; aber es ist seine Bedingung. Das ist nicht psychologisch gemeint, etwa als Grundlage der Persönlichkeit. Sondern in transzendentalem Sinn ist Sinnlichkeit die genetische Voraussetzung der Vernunft.
JE, 13. 7. 16
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