aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
[Kant] sagt, dass unseren sinnlichen Vorstellungen etwas zu Grunde liege, dass es Noumene gäbe; er hat sich nicht ausdrücklich darüber erklart; er nennt es etwas, es ist aber nicht et-was, das Sein hat, sondern Handeln.
Er hat sich nicht auf das Schema für übersinnliche Gedanken eingelassen. Man kann das Übersinnliche nicht erkennen, aber da sie [sic] doch für uns da sind, so müssen sie sich doch erklären lassen. Das Schema fürs Übersinnliche ist das Handeln. [S. 113]
Kant nennt ein Tun z. B. nach dem Gesetze der Kausalität pp* ganz richtig ein Schema,
um dadurch zu bezeichnen, dass es nicht Wirkliches, sondern etwas durch
ideale Tätigkeit zum Behuf der Anschauung zu Entwerfendes sein soll.
Schema ist ein bloßes Tun, und zwar mein notwendiges Tun in der Anschauung. ...
Die Aufgabe ist: nicht einem bestimmten Tun, z. B. Denken, Anschauen pp,
sondern einem Tun überhaupt zuzusehen. Die Aufforderung ist: eine
Agilität zu beschreiben; diese kann man nur anschauen als eine Linie,
die ich ziehe. Also innere Agilität ist ein Linie-Ziehen. Nun aber ist
hier nicht die Rede von einer Agilität, die geschieht, sondern von einer
Agilität überhaupt; von einem bestimmbaren, aber nicht bestimmten
Vermögen der inneren Selbst-tätigkeit und Agilität. So eine Linie ist
aber bestimmt der Direktion nach. In dem Vermögen aber müssen
alle Linien liegen, das Schema des Tuns muss ein nach allen möglichen
Direk-tionen mögliches Linienziehen sein; dies
ist der Raum, und zwar leerer Raum, aber leerer Raum kommt nie vor, es
wird immer etwas hineingesetzt. Warum, wird sich zeigen. Hier ist nur vom Tun die Rede, aber auch das bloße reine Tun ist nichts Erscheinendes. [S. 110]
*) für perge perge: und so weiter
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ebd., S. 113; 110
Nota I. - Gr. schêma heißt Haltung, Gestalt, Figur. F. übernimmt den Begriff von Kant, aber er bestimmt ihn anders, oder richtiger: Er bestimmt ihn, wenn auch so allgemein wie denkbar möglich, während jener ihn ganz unerklärt als bloßen Namen gebraucht für die 'Methode,
einem gewissen Begriffe gemäß etwas in einem Bilde vorzustellen'.
Immerhin stimmen sie darin überein, dass das Schema ein Bild ist, aber kein von der Einbildungs- kraft angeschautes, sondern ein im Denken vorgestelltes Bild; eine Art Anschauung zweiter Ordnung. Dieses ist das Geheimnis der Noumena, der Dinge-an-sich, des Übersinnlichen überhaupt. Es ist das Geheimnis des dialektischen Scheins, wie Kant selber ihn nennt: der Vorstellung, dass den Begriffen eigene Realität zukommt.
4. 7. 15
Das Schema für das Übersinnliche ist das Handeln (Noumena bei Kant).

Dieser Punkt ist in der
Kantischen Darstellung nicht ganz richtig behandelt und hat
Ver-anlassung zu einem System gegeben, wo zwar der Raum apriori sein
soll, in welchen aber die Objekte aposteriori hineinkommen sollen.
Kant behauptet auch, dass die Objekte apriori im Raum sein sollen; er schließt aber indi-rekt.
Der ´Raum ist ihm apriori, er ist ideal, sonach müssen auch die Objekte
ideal sein: Kant wollte alles aus Begriffen dartun, drum wird auch
seine transzendentale Ästhetik so kurz. Das geht aber nicht, das
Vernunftwesen ist nicht nur begreifend, sondern auch an-schauend. Er
bewies seine Darstellung vom Raum durch Induktion. Kant sagt nicht, dass der Raum gegeben werde; er sagt, dass unseren sinnlichen Vorstellungen etwas zu Grunde liege; dass es Noumene gäbe; er hat sich nicht deutlich darüber erklärt. Er nennt es etwas, es ist aber nicht etwas, das Sein hat, sondern Handeln.
Er hat sich nicht auf
das Schema für übersinnliche Gedanken eingelassen. Man kann das
Übersinnliche nicht erkennen, aber da sie doch für uns da sind, so
müssen sie sich doch erklären lassen: Das Schema für das Übersinnliche
ist das Handeln.
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ebd., S. 113
Nota II. -
'Übersinnliche Gedanken' sind solche, die sich auf nicht-sinnliche
Gegenstände beziehen: auf Vorstellungen. Vorstellen ist - abgesehen von
dem, was vorgestellt wird - Schema des Handelns. Noumena sind Schemata
des Schemas des Handelns.
5. 11. 16
Nota III. - Anschauung
von etwas, das nur gedacht wird? Aber es ist der Gedanke von et-was, das
tatsächlich angeschaut wurde. Es ist eine Abstraktion; aber nicht die
Abstraktion von einer Abstraktion - nicht von einer 'Tätigkeit, die als Ruhe vorgestellt wird', sondern von einer Tätigkeit, die als tätig vorgestellt wird: ein Schema. Eine 'intellektuelle' Anschau-ung sozusagen.
24. 5. 19
Nota IV. - Summa summarum: Die ganze Wissenschaftslehre ist das Schema vom Gang der Vorstellung, soweit sie mit sich im Reinen und wahrhaftig bleibt.
JE, 29. 3. 20
Nota. - Das
obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
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