hängendes Gewölbe aus Philosophierungen;
Wissen ist* wahr, sofern es System
ist. Es ist System, sofern es in einem Grundsatz zusam-menhängt - so
dass Jedes seinen Platz von allen Andern angewiesen bekommt und
seiner-seits allen andern ihren Platz anweist; sofern sie nämlich alle
aus demselben Grundsatz fol-gen.**
Zuerst ist aber das reale Wissen dagewesen; jedes für sich. Der Satz bedeutet also in Wahr-heit: Das in der Geschichte verstreut angesammelte Wissen wird wahres Wissen, wenn es zu einem System gebildet wird. Das wieder- um ist nicht möglich, indem man "die Sammlung vervollständigt" - alle möglichen Wissenssätze
ausfindig macht und zusammenstellt -, son-dern indem man den jedem
wirklichen Wissensakt zu Grunde liegenden "Grund"-Satz her-ausfindet.
Wenn
sich ein solcher Satz auffinden lässt, kann das Wissen zu einem System
gebildet wer-den, 'in dem jedem Satz sein Platz von allen andern Sätzen
angewiesen ist', bevor noch "je-der Satz" ausgesprochen wurde. Lässt sich zeigen, dass der aufgefundene Grund-Satz nicht bloß tatsächlich (summativ; das ginge ja gar nicht!), sondern notwendig allen Wissensakten zugrundeliegt, dann ist das Wissen "wahr" in dem Sinne, dass außer ihm nichts gewusst werden kann. Also - wenn es Wissen gibt (Wahrheit gibt), dann innerhalb dieses Systems. Wenn nicht innerhalb dieses Systems, dann überhaupt nicht (wovon man allerdings nichts wissen könnte).
**) Fichte, Über den Begriff der Wissenschaftslehre, SW I, S 57-62, 70ff.
aus e. Notizbuch, 26. 6. 03
*) nur!
Wissen
ist entweder richtig - wenn es dazu taugt, die Operation auszuführen,
die ich beab-sichtige; oder es ist wahr - dann ist es end gültig: Es gilt unter allen möglichen Bedingungen. Was falsch und unwahr ist, gilt nicht als Wissen, sondern als Irrtum oder Lüge.
Richtige
Sätze gelten so lange, bis die Operationen, für die sie taugen sollen,
erfolgreich ab-geschlossen sind. Alle wahren Sätzen gelten über Raum und
Zeit hinaus. Ihnen muss eines gemeinsam sein, das sie gelten macht; und in diesem Einen hängen sie miteinander zusam-men. - Das ist eine Prämisse, die jeder, der sich auf eine vernünftige Erörterung einlässt, tatsächlich macht, und sei es stillschweigend oder gar unter der Behauptung, that anything goes.
18. 1. 15
Sie hängen untereinander zusammen dadurch, dass sie alle auf demselben Weg zustande-gekommen sind: dem, den wir vernünftig nennen. Es ist dieser Zusammenahng, der sie zum System stimmt. Seine Gültigkeit ist nicht erwiesen durch seine Bewährung an bewäl-tigten Aufgaben. Die könnte unser Zutrauen
veranlassen, doch alles, was wirklich ist, ist eo ipso zufällig -
nämlich so, dass es unter andern Bedingungen auch anders hätte ausfallen
können. Eine Erfahrungsvernunft ist nicht besser als ein Konsens am Biertisch.
Vernunft beruht nicht in ihrer Zweckmäßig keit. Das würde man Verstand nennen, oder Kalkül. Vernunft beruht auf... ach was: agiert aus ihrer Zweckhaftig keit. Sie ist nicht Erfül-lung von Zwecken, sondern ihr Entwerfen. Sie ist ein immer wieder neu zu deckender Scheck auf die Zukunft. Und wohl ist es wahr, dass vernünftig immer nur ein Einzelner - einer, der Ich sagen kann - ist; aber er ist es immer nur zu dem Teil, mit dem er Anteil an der Reihe vernünftiger Wesen, kurz: Anteil an der Vernunft hat. Die aber besteht nur, ent-steht nur in dem Entwerfen gemeinsamer Zwecke; stets auf dieselbe Weise.
JE, 29. 1. 19
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen