aus welt.de, 18.05.2021 Die Farben dieses Kunstobjekts lassen sich durch Gehirnwellen von Versuchspersonen verändern
Beim Projekt „Brainpalace“ wird hingegen in einem Atelier, dem Berliner „State Studio“, geforscht, das selber Teil des Experiments an der Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst ist. Im Zentrum steht dabei ein Objekt der Münchner Künstlerin Tatjana Busch – eine komplexe Skulptur mit veränderlichen Licht-, Farb- und akustischen Effekten.
Den Wissenschaftlern geht es um die Wechselwirkung von Probanden mit diesem Kunst-objekt und untereinander. Die Versuchspersonen tragen an ihren Köpfen Sensoren zur Messung des EEGs. Die Daten der so gemessenen Hirnwellen werden schnurlos an einen Computer übertragen.
Zum einen können die Versuchspersonen die interaktive Klang- und Lichtinstallation mit ihren Gehirnwellen – also durch Neurofeedback – beeinflussen. Zum anderen analysieren die Forscher, wie das sich verändernde Kunstobjekt die Hirnaktivitäten der Versuchsper-sonen beeinflusst.
Den Forschern von den Fraunhofer-Instituten für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) sowie Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) geht es dabei insbesondere auch um kollektive Phänomene wie der Frage, ob durch die Kunst ein Gruppenerlebnis oder gar Empathie stimuliert werden kann. Dazu analysieren sie die Hirnströme der Probanden im Hinblick auf zeitliche Korrelationen und Synchronisationseffekte.
„Normalerweise wird bei Forschungsarbeiten zum Neurofeedback nur die Interaktion von einer Person mit einem technischen System untersucht“, erklärt der Neurowissenschaftler Mathias Vukelic vom Forschungsbereich Mensch-Technik-Interaktion am IAO. Das Beson-dere beim „Brainpalace“-Projekt sei jedoch, dass hier die Synchronisationsprozesse von zwei Probanden studiert werden können, die beispielsweise aktiv versuchen, sich in den jeweils anderen hineinzuversetzen.
Die parallele Messung der Aktivität von miteinander interagierenden Gehirnen bezeichnen die Forscher als „Hyperscanning“. Mit dieser Methode erhoffen sich die Wissenschaftler eine Antwort auf die Frage, ob sich mithilfe von Kunst kollektive Gruppenerlebnisse er-zeugen lassen und geschaffene Empathie durch neuronale Synchronisation verstärkt werden kann.
Bislang haben die Forscher in Berlin Messdaten von 15 Probandenpaaren aufgenommen. Das Identifizieren zeitlich korrelierter Muster in den Datensätzen wird noch Monate in Anspruch nehmen. Doch bereits nach der vorläufigen Auswertung eines Teils der Daten lässt sich feststellen, dass sich durch Neurofeedback via Kunstobjekt die Synchronisation menschlicher Gehirne fördern lässt. Mit Synchronizität ist hier konkret gemeint, dass die Gehirnwellen verschiedener Probanden vom gleichen Typ sind – also Alpha-, Beta- oder Gamma-Wellen sind.
Im Experiment wurde die Kunstinstallation in Echtzeit automatisch in Richtung wärmerer, also rötlicherer Farbtöne gedimmt und die Musik harmonischer, wenn die Gehirnwellen der beiden Probanden quasi die gleiche Wellenlänge zeigen. Verlieren die Versuchspersonen hingegen ihre Synchronisation, so verschiebt sich der Farbton des Kunstwerks zu kälteren, bläulichen Farbtönen, und die Klänge werden weniger kohärent.
„Wir wollen das Entstehen von Empathie und eines Zusammengehörigkeitsgefühls zwi-schen zwei Personen besser verstehen und fördern“, sagt Vukelic. Langfristig könnten die Erkenntnisse genutzt werden, um die Arbeitsumgebung von Menschen so zu gestalten, dass sie besser miteinander kooperieren. Gerade die wachsende Bedeutung von Online-Konfe-renzen könnte neue technische Möglichkeiten eröffnen, die Interaktion zwischen den Teil-nehmern positiv zu stärken.
„Ich könnte mir auch vorstellen, dass sich mit solchen Technologien auch die Wechselwi-kung von Lehrern und Schülern verbessern lässt“, hofft Vukelic. Doch bis dahin ist noch viel Forschungsarbeit notwendig, denn in einer solchen Situation geht es nicht nur um die Wechselwirkung von zwei Menschen. „Der nächste Schritt bei unseren Experimenten wird sein, dass nicht nur zwei, sondern vier Probanden miteinander agieren“, so Vukelic.
Die neurowissenschaftliche Forschung und das Entwickeln möglicher Anwendungen sind allerdings nur eine Seite des „Brainpalace“-Projekts. Die Installation ist für sich genommen schlicht Kunst, und es geht hier auch um einen Dialog von Wissenschaft und Kunst.
„Das Projekt soll Menschen zusammenbringen und zeigen, dass es nur eine feine Grenze zwischen Kunst und Wissenschaft gibt“, sagt der an den Forschungsarbeiten beteiligte Wissenschaftler Ravi Kanth Kosuru vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschafts-mathematik. „Es ist einfach ein schönes Kunstwerk, das alle Besucher der Galerie fasziniert und neugierig macht, auch wenn sie keine Probanden sind“, kommentiert Christina Hooge vom State Studio.
Nota. - Kann Kunst kollektiv erlebt werden? Die Frage hat praktisch-technisches Interesse für Politiker und Geschäftsleute oder eine Kreuzung von Beiden - Lehrer -, die sich übers Manipulieren Gedanken machen. Ein selbstständiges gedankliches Interesse hat eher die Frage, ob sich Ästhetisches kollektiv erleben lässt - weil es der Frage nähertritt, was 'ästhe-tisch erleben' faktisch bedeuten kann.
Was man teilen kann, kann man auch mitteilen. Medium der Mitteilung par excellence ist die Sprache, umso mehr, wenn sie vernünftig verwendet wird. Sie steht in digitalem Modus und wird diskursiv mitgeteilt. Ästhetische Gegebenheiten - also auch die Kunst - stehen in ana-logem Modus, lassen sich nicht teilen und werden darum nur als Ganze und anschaulich... mitgeteilt? Dazu müsste man überprüfen können, ob das ästhetische Signal so, wie es abge-sandt wurde, auch vom Empfänger aufgefasst wird.
Bei sprachlichen Mitteilungen ist die Überprüfung einfach: Man fragt einfach nach. Bei bildhaft-ästhetischen Mitteilungen könnten Frage und Antwort jedoch nur digital und dis-kursiv ausgedrückt werden - und würde das, was am Ästhetischen das Unterscheidende ist, verloren gehen.
Auch digitale Mittteilungen können missverstanden werden, der Unterschied sei nur ein gradueller? Aber digitale Mitteilungen können grundsätzlich richtig verstanden werden; ob ästhetisch-anschauliche Mitteilungen auch, wäre eben die Frage. Obiges Experiment kann dazu anscheinend nichts beitragen, das war wohl auch gar nicht beabsichtigt.
Dass zwei Gehirne, die sich mit demselben 'Gegenstand' - Bild oder Zeichen - beschäftigen, nach einer Weile ihre Frequenzen synchronisieren, ist nichts Neues. So ein aufwendiger (nehmen ich an!) Versuch hättte wenigstens danach fragen können, wie und durch welche Kanäle das geschieht. Aber es geht auch diesen Forschern weniger um Fragen als um praktischen Nutzen. Und gerade solche Forschung sollte nicht öffentlich subventioniert werde. War sie's in diesem Falle?
JE
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