Montag, 24. Mai 2021

Hans Makart zum Gedächtnis.

 
aus derStandard.at, 23. 5. 2021                                                             Unter dem Titel "Salonausstattung" wurde Hans Makarts dreitei-liges Gemälde (hier die linke Seitentafel) im Sommer 1868 in der Ausstellung des Münchener Kunstvereins erstmals öffentlich präsentiert.

Hans Makarts verruchte "Amoretten" sorgten einst für Furore
Die Bank Austria lässt das museale Meisterwerk des Historismus versteigern. Seit 1975 steht das Triptychon unter Denkmalschutz
 zu Geschmackssachen
von Olga Kronsteiner
 
Der Abverkauf der über Jahrzehnte und diverse Firmenfusionen unter dem Dach der Konzernmutter Unicredit angehäuften Kunstsammlung geht in ihr nunmehr drittes Jahr. Wie berichtet, ist davon auch jene der Bank Austria betroffen, deren Kollektion auf Be-stände der Länderbank, der Zentralsparkasse und der Creditanstalt zurückgeht.

STANDARD-Recherchen zufolge schlug der Erlös der seit Herbst 2019 über Christie’s in Amsterdam und das Dorotheum in Wien versteigerten Werke bis Ende 2020 mit etwa 3,5 Millionen Euro zu Buche. Die Einnahmen kommen, laut offiziellen Angaben, der "Social Impact Banking"-Initiative zugute.

Im Zuge der nun im Juni im Dorotheum anberaumten Auktionswochen trennt man sich von weiteren Werken. Ihre prominente Herkunft wird – wie schon bisher – in den Katalog-angaben verschwiegen. Beispielhaft etwa bei Arbeiten von Hans Makart: Beim vierteiligen Deckengemälde Nacht und Morgen steht lapidar "Ankauf durch den heutigen Eigentümer 1964", eine gleichlautende Formulierung mit der Jahresangabe 1978 ist beim Triptychon Moderne Amoretten vermerkt.

Die authentischen Angaben dazu finden sich nur in der Fachliteratur, konkret in den 1974 und 2013 von Gerbert Frodl, ehemals Direktor der Österreichischen Galerie Belvedere (1992–2006), publizierten Werkverzeichnissen zu den Gemälden Makarts: bei den Amoret-ten war die Creditanstalt der Vorbesitzer, beim Deckengemälde wiederum die Zentralspar-kasse der Gemeinde Wien. Geschichte. Die museale Ware wird jetzt an den Bestbieter ver-hökert.

Das Triptychon ist eine ursprünglich religiöse Bildform und der Goldgrund war der Festtagsseite der Altarbilder vorbehalten. Ein Aspekt, der das konservative Publikum angesichts der erotischen Anmutung der Szenerie zusätzlich provoziert haben dürfte.
"Greisenhafte Lüsternheit"

Im Schaffen des aus Salzburg gebürtigen Künstlers, der mit nur 44 Jahren verstarb, spielten diese in den späten 1860er-Jahren entstandenen Arbeiten eine besondere Rolle. Allen voran die Modernen Amoretten, die Frodl in seinem für das Dorotheum verfassten Begleittext zu Recht als "Meisterwerk der Malerei des Historismus" bezeichnet.

Mit den herkömmlichen Verwandten des Liebesgottes Amor, die in "nackter Kindergestalt, mit Pfeil und Bogen bewaffnet die Göttin Venus" begleiten, "Liebespaaren auflauern", Alle-gorien verkörpern und als Schmuckelemente durch die Komposition wuseln, haben Makarts Geschöpfe jedoch nichts zu tun. Seine Amoretten irritieren in ihrer Erscheinung als seltsam junge Erwachsene oder weit vor ihrer Zeit gealterte Kinder, die durch die Komposition ja-gen und tanzen.

Die knisternde, kaum verschleierte Erotik sorgte schon bei der Erstpräsentation der als "Sa-lonschmuck" betitelten Bilder im Münchner Kunstverein im Sommer 1868 und nachfol-gend auch im Herbst des Jahres in Wien durchaus für Diskussionen und entzweiten die Kunstkritik. Die einen schwärmten von einem "Kindermärchen", andere attestierten den Amoretten "altkluge Koketterie und greisenhafte Lüsternheit".

"Bordellkunst", urteilte Moritz von Schwind über Makarts Werk, andere attestierten den Amoretten "altkluge Koketterie und greisenhafte Lüsternheit" (rechte Seitentafel).

Requiem der Dekadenz

Wie Michaela Lindinger, Kuratorin am Wien-Museum, in ihrer Publikation Die Hauptstadt des Sex – Geschichte & Geschichten aus Wien (Amalthea-Verlag, 2016) in Erinnerung rief, nahm sogar der allmächtige Kunstkritiker Ludwig Speidel damals Anstoß an Makarts früh-reifen, abgelebten Halbwüchsigen. "Abscheulich und unmoralisch", ja "geradezu verrucht" sei dieses von Vertreterinnen der "demi-monde" bevölkerte Werk.

Ein "Requiem der Dekadenz", laut Lindinger, das dem 28-jährigen Künstler zu unerwar-teter Aufmerksamkeit verhalf. Prompt fand sich mit Graf János Pálffy-Erdöd ein Käufer, der sich fortan in seinem Schloss Königshaiden exklusiv an dem Anblick erfreuen durfte.

Für sein eigenes Atelier entwarf Makart später eine Wanddekoration, bei der er Fotos der Modernen Amoretten auf die Leinwand klebte und übermalte. Diese Version erwarb ur-sprünglich der für seine großen Wand- und Deckengemälde bekannte deutsche Maler Wilhelm von Kaulbach. Heute befindet sich diese im Bestand des Belvedere.

Das Triptychon verblieb in gräflichem Familienbesitz und gelangte später über den tsche-chischen Kunsthandel in österreichischen Privatbesitz, landete im Hotel Maria-Theresia in Innsbruck, wo es die Creditanstalt 1978 erwarb. Seit 1975 steht es als Ensemble unter Denk-malschutz. Damit konnte die für den Handel sonst lukrativere Verwertung als drei Einzelge-mälde bislang verhindert werden.

Ausfuhrverbot

Mit der aufrechten Unterschutzstellung ist auch ein Ausfuhrverbot verknüpft, wie das Bundesdenkmalamt bestätigt. Zumindest theoretisch, denn fände sich praktisch ein auslän-disches Museum als Käufer, könnte eine Freigabe erfolgen. Der Schätzwert wurde mit 100.000 bis 150.000 Euro moderat angesetzt.

Die Erwartungen für das aus vier Teilen bestehende Deckengemälde Nacht und Morgen beziffert das Dorotheum dagegen auf 80.000 bis 160.000 Euro. Das Besondere daran: Makart schuf sie 1869 für den Plafond seines Speisezimmers in der Gußhausstraße im vierten Wiener Gemeindebezirk. Die Personifikationen der Nacht und des Morgens erin-nern entfernt an die Modernen Amoretten.

Nachdem Makart im Oktober 1884 an Syphilis verstorben war, gelangte sein Nachlass über den Wiener Kunsthändler Hugo Othmar Miethke im März 1885 zur Versteigerung. Darun-ter befand sich auch dieser Plafond, der später in den Bestand des Belvedere gelangte. Mitte der 1960er-Jahre hatte man ihn dort ausgesondert und bei einem Kunsthändler namens Ferdinand Spany gegen Werke von Josef Abel und Hans Canon eingetauscht. Es war das erste repräsentative Deckengemälde, das der Künstler schuf: Malerisch sei es das subtilste und in der Farbigkeit zweifelsfrei das kostbarste, wie der Makart-Experte Gerbert Frodl betont. 

 

Im Oktober 1869 wurde der Mittelteil des Triptychons "Moderne Amoretten" in einer Wochenzeitung veröffentlicht und mehrte die Bekanntheit des Werks weit über die Grenzen Österreichs hinaus: Es zeigte den "Triumphzug einer Art von kleiner Maikönigin" die, "selber ganz modern costümirt wie die meisten anderen Mädchen, dennoch von jungen nackten Faunen und Hirtenknaben und anderm fröhlichen mythischen Volk geschleppt wird, ohne dass man die heillose Verwirrung aller Zeiten und Geschlechter, ja Alter sogar, auch nur merkte. Und doch wird man bei den meisten dieser Damen nicht einmal über das letztere klug, weiß nicht recht, hat man Backfische oder erwachsene, kleine koboldartige Mädchen vor sich…" ("Illustrirte Zeitung", No. 1370, 2. Oktober 1869)

Nota. - Schweinereien sind auf keinem der drei Flügel zu sehen. Doch reichte der woken Öffentlichkeit damals wie heute schon die ungehörige Absicht. Mit dem Unterschied, dass sich das kaiserliche Österreich nicht als ein freiheitlicher Rechtsstaat aufspielte; die Hüter der Sittlichkeit durften sich damals als Sprecher aller Correcten legitimiert fühlen. Folgenlos blieb das Krakeel trotzdem. Das wäre heut anders. 

Der dieser Tage seinerseits ins Gerede gekommene Michel Foucauld hat darauf hingewie-sen, dass die öffentliche Prüderie des Viktorianischen Zeitalter alles andere als der Höhe-punkt einer jahrtausendealten Triebunterdrückung war - sondern im Gegenteil ein beson-ders  pikanter erotischer Scharfmacher. Sein Vorläufer war der holländische Psychiater Jan Hendrik van den Berg.

 

PS. - Nur Geduld! Mit Spätgotik gehts gleich morgen weiter.

JE

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