Samstag, 1. Mai 2021

Umfang und Inhalt.

Rainer Sturm  / pixelio.de                                        aus Philosophierungen

"Die Bedeutung der Wörter ist ihre Verwendung im Sprachspiel." – Das ist salopp ausge-drückt. Um den springenden Punkt zu vertuschen? Die Bedeutung der Wörter bildet sich aus durch ihre Verwendung im Sprachspiel: Das wäre korrekt. Denn es lässt die Frage of-fen, wo die Wörter her gekommen sind; oder besser: Es stellt die Frage! Erst das Sprach-spiel, dann die Bedeutungen? Oder doch: erst die Bedeutungen, dann das Sprachspiel?!
 

Einen Begriff nennen wir ein Wort, dessen Bedeutung durch seine Verwendungen in den Sprachspielen so fest gestellt ist, dass es in den verschiedensten – na ja, in verschiedenen Sprachspielen fungieren kann. Ob ich nun 'Bedeutung' sage oder 'Verwendung im Sprach-spiel' – dieses bleibt: Beide befinden sich in der Spannung zwischen dem Gehalt – 'intensio' – und dem Umfang – 'extensio' – des Begriffs. Wobei die Intensio nichts anderes ist, als was die Scholastiker intentio nannten: 'das, was beabsichtitgt ist, das, worauf abgesehen wird'. Die Extensio, das ist offenbar der Umkreis der (sinnlich begegnenden) Phänomene, die unter die Absicht des Begriffs fallen, die also im Begriff 'mitgemeint' sind. So, dass die In-tensio die Qualitäten festlegt, die 'gemeint' sind; und die Extensio die Phänomene zählt, denen diese Qualitäten zugesprochen werden. So, dass weiterhin die Zahl der gemeinten Phänomene zunimmt in dem Maße, wie die Zahl der gemeinten Qualitäten abnimmt, und wiederum abnimmt in dem Maße, wie die Intensität (Stärke, Tiefe, nicht: Menge!) der je-weiligen Qualität zunimmt. (Und ohne Qualitäten geht es nicht.)

Es reproduziert sich in jedem Begriff die Doppeltheit des Bewusstseins, dass dem sinnlich Gegebenen eine Bedeutung zu-gedacht wird, und keines ohne das andere gedacht werden kann; also der 'Begriff' (oder das 'Ding', das er 'erfasst') immer in einer Schwebe vorkommt zwischen Umfang und Gehalt.

[vgl. Cassirer. Umfang und Gehalt d. Begriffs]


aus e. Notizbuch; um 2002

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