
aus spektrum.de, 20. 12. 2020 zuJochen Ebmeiers Realien
An der Grenze der Berechenbarkeit
Manche
Gleichungen kann man nur so gerade eben lösen. Aber selbst damit ist
Schluss, wenn die Relativitätstheorie dazwischenfunkt.
von Florian Freistetter
Das
»Zweikörperproblem« klingt leicht anrüchig. In der Astronomie ist damit
aber normalerweise die Frage nach der Bewegung zweier Objekte im All
gemeint: Wenn sich zwei Himmelskörper ausschließlich durch ihre
jeweilige Gravitationskraft wechselseitig beeinflussen, auf welche Weise
bewegen sie sich dann?
Das klassische Beispiel dafür ist die
Bewegung eines Planeten um die Sonne, und wie das funktioniert, hat
Johannes Kepler schon im 17. Jahrhundert verstanden und im ersten seiner
berühmten drei Gesetze erklärt. Zwei durch Gravitation aneinander
gebundene Objekte umkreisen sich in Form einer Ellipse. Wenig später
lieferte Isaac Newton den streng mathe-matischen Unterbau dafür. Wie man
aus seinem Gravitationsgesetz die Bewegungsgleichun-gen des
Zweikörperproblems ableitet, lernt man heute in den ersten Semestern
eines Phy-sikstudiums.
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Das sind die entsprechenden Gleichungen, formuliert in Polarkoordinaten r und θ, und für vorgegebene Werte der Gesamtenergie E und des Drehimpuls L des Systems. m1 und m2 sind die Massen der beiden Körper, und G ist die Gravitationskonstante. Man muss ein bisschen rechnen, um auf dieses Ergebnis zu kommen, und braucht dafür Mathematik, die ein klein wenig über das hinausgeht, was man in der Schule lernt. Aber man kann es exakt berechnen, und darauf kommt es an. Das Zweikörperproblem hat keine Geheimnisse mehr: Kennt man die Anfangsbedingungen, lassen sich die Positionen der Himmelskörper für beliebig lange Zeiträume in der Zukunft exakt vorhersagen.
In der Realität gibt es aber kein Zweikörperproblem. Da gibt es ja auch immer mehr als zwei Objekte. Aber allein unser Sonnensystem hat neben der Sonne schon acht Planeten, und der ganze Rest an Monden und Asteroiden übt ebenfalls eine kleine Gravitationskraft aus. Sobald mehr als nur zwei Objekte beteiligt sind, lässt sich das Problem mathematisch nicht mehr exakt lösen.
Einstein macht wieder alles kaputt!
Und
unter Umständen kann man auch Probleme kriegen, wenn man es mit nur
zwei Objekten zu tun hat. Denn wir wissen seit mehr als 100 Jahren, dass
man die Gravitation mit Newtons Gleichung nur näherungsweise
beschreiben kann und man sonst Einsteins allgemeine Relativitätstheorie
bemühen muss. Meistens sind die Abweichungen nur gering, aber wenn es um
sehr starke Gravitationsfelder geht, kommt man um die komplexen Formeln
der Relativität nicht umhin. Und damit formuliert ist selbst das
Zweikörperpro-blem nicht mehr exakt lösbar.Das könnte Sie auch interessieren: Spektrum Kompakt: Meins! – Warum weniger manchmal mehr ist
Dann muss man die »Numerik« bemühen, die immer ein wenig ein
Schattendasein fristet zwischen den prominenteren Disziplinen der
Experimental- und theoretischen Wissen-schaft. Aber die besten Theorien
nützen ebenso wenig etwas wie die besten Experimental-methoden, wenn man
nicht weiß, was genau im Experiment beobachtet werden soll. Das hat sich
sehr gut bei der Entdeckung der Gravitationswellen im Jahr 2014
gezeigt. Man hatte theoretisch vorhergesagt, dass es dieses Phänomen
geben muss, zum Beispiel bei der Kollision zweier Schwarzer Löcher. Man
hatte Instrumente, mit denen es sich beobachten lassen sollte.
Aber um zu wissen, nach was genau
zu suchen ist, musste man zuerst einmal vorhersagen können, wie
zwei Schwarze Löcher sich vor einer Kollision umeinander bewegen. Das
ist genau einer der Fälle, in dem man die relativistischen Gleichungen
braucht und ein unlös-bares Zweikörperproblem lösen muss. Und wo die
exakte Mathematik scheitert, kann die Numerik mit näherungsweisen
Lösungen aushelfen. Die sind zwar nicht völlig exakt, können aber mit
ausreichend Computerkraft fast beliebig exakt geliefert werden.
Bis die Numerik das relativistische Zweikörperproblem der Schwarzen Löcher in den Griff bekam, vergingen Jahrzehnte. Aber ihr Beitrag zur Entdeckung der Gravitationswellen war ebenso wichtig wie der von Theorie und Experiment. Mathematik muss nicht immer exakte Ergebnisse liefern, um erfolgreich zu sein.
Nota. - Das kann ich nicht kommentieren, ich versteh's ja gar nicht; ich kann Florian Freistätter allenfalls glauben und darf nicht einmal Fragen stellen, denn Physik habe ich nicht studiert.
Ich bin aber zuversichtlich, unter meinen Lesern auch einige zu finden, die selbst das noch verstehen. Denen gebe ich was zu denken.
JE
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