Lysipp, Eros
aus Geschmackssachen
Anschauen ist ein sich-Verlieren im ganz-Andern. Das ist seine Versuchung; es ist im Plato-schen Sinn erotisch.
Problematisch wird es beim bildenden Künstler. Seiner Einbildungskraft hat ein Bild vorge-schwebt, in dem er sich verloren hat. Aber er will es wiedergeben. Er muss es von sich ab-sondern, um es fassen zu können. Doch sobald er es gefasst hat, ist es kein wirklich Ande-res mehr; er müsste es so fassen, dass es, ungeachtet seiner Vertrautheit mit ihm, allen An-dern 'ganz anders' vorkommt. Und das ist sein formales, sein künstlerisches Problem: Er kann sich an die Ausarbeitung seiner Wiedergabe nicht heranmachen ohne Berechnung.
Es
gab bildende Künstler, deren Bilder so aussehen, als habe mit der
Berechnung ihre bild-nerische Produktion angefangen, und die Anschauung sei
aus einem fertigen Repertoire an irgendeiner Stelle nur herbeigezogen
worden. Ich denke, um nicht viel Ärger zu riskieren, an William Bouguereau: Die einen sagen, es sei akademisch, die andern sagen, es ist Kitsch.
Kunst wäre es, wenn seine Einbildungskraft ihm ein Bild hat vorschweben lassen, das, nach-dem es durch den Fleischwolf seiner
tastend-bestimmenden Experimente gegangen ist, doch immer noch so stark
geblieben wäre, dass es die Einbildungskraft der andern dazu
versucht, sich so in ihm zu verlieren, wie er es tat, bis er sich ans
reflektierende Wieder-geben gemacht hat.
Ein Künstler ist er, wenn es ihm gelang, aus seinem Herzen eine Mördergrube zu machen, ohne dass jeder es sehen kann.
Es gibt aber auch solche, die von vorn bis hinten nur bluffen.
3. 12. 19
Nachtrag. - Kommt es Ihnen vor, als hätten Sie das auf diesen Blog schon einmal gelesen? Das kann schon sein. Es ist auch an derselben Stelle noch vorhanden. Man findets aber nur, wenn man es weiß: Von der Inhaltsleiste rechts>> ist es nämlich ver-schwunden. Daher poste ich es nochmal. JE
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